HAT DIE WAHLFäLSCHUNG IN DRESDEN EIN NOCH GRößERES AUSMAß?

Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt wegen der manipulierten Stimmzettel zur Landtagswahl nicht nur in Dresden. Nun wird vermutet, dass noch viel mehr Stimmen gefälscht worden sein könnten.

Dresden. Angesichts von bisher knapp 130 entdeckten manipulierten Stimmzetteln bei der Landtagswahl hat am Mittwoch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden die Ermittlungen übernommen. Die meisten Fälle wurden in Dresden entdeckt, einige auch in Radeberg.

Auch das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum (PTAZ) ist in die Ermittlungen eingebunden, weil es sich bei den möglichen Fälschungen um solche zugunsten der rechtsextremen Partei "Freie Sachsen" handelt. Nun wird auch ein Zusammenhang zur Kommunalwahl im Juni in Dresden geprüft.

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Stadtweit Stimmzettel manipuliert

Die Nachricht von den manipulierten Stimmzetteln in Dresden-Langebrück und Radeberg sorgt derzeit bundesweit für Wirbel. Dabei handelt es sich ausschließlich um Stimmzettel, die per Briefwahl in die Wahllokale gelangt sind.

Bei den Auszählungen fiel dann auf, dass Kreuze überklebt wurden und stattdessen bei der Partei "Freie Sachsen" neue gesetzt wurden.

Offenbar war die Manipulation der Stimmzettel so professionell, dass sie nicht sofort auffiel. Die Aufkleber müssen demnach genau in dem Grünton der Stimmzettel angefertigt worden sein, in einer Größe, die genau den Kreis ausfüllt, in dem die eigentlichen Kreuze gesetzt waren, gleichzeitig sehr dünn, aber blickdicht.

Zudem gab es in einem zweiten Wahlkreis in Langebrück auffällig viele ungültige Stimmen - weit mehr als irgendwo anders in Dresden.

Mittlerweile spricht die Generalstaatsanwaltschaft von genau 126 manipulierten Stimmzetteln, 85 aus zwei Wahlbezirken in Dresden-Langebrück, 27 über das Stadtgebiet Dresden verteilt und 14 in zwei Wahlbezirken in Radeberg, die "zugunsten der Partei "Freie Sachsen" verändert" wurden.

Ermittlungen auch wegen Kommunalwahl

Unterdessen laufen die Ermittlungen im Extremismus-Abwehrzentrum des LKA Sachsen weiter. Das bestätigt Sprecher Kay Anders. "Die genaue Motivation ist weiterhin unklar. Aber wir prüfen auch, ob es einen Zusammenhang mit Auffälligkeiten bei der Kommunalwahl im Dresden gibt."

Konkret weist Anders damit darauf hin, dass eben dieselbe rechtsextreme Kleinstpartei, ebenfalls im von Dresden eingemeindeten Langebrück, damals ein Stimmergebnis erhielt, das sich extrem von anderen Bereichen Dresdens unterschied. Im Juni erlangten die "Freie Sachsen" in Langebrück 1 genau 14 Prozent, stadtweit 1,2 Prozent.

Stimmzettel von der Stadt eingelagert

Die Stadtverwaltung könne zur Kommunalwahl und einer möglichen Manipulation nichts sagen, heißt es unterdessen auf Anfrage. "Das Kommunalwahlergebnis ist rechtswirksam festgestellt, die Rechtsbehelfsfristen sind abgelaufen. Es steht nicht im Ermessen der Landeshauptstadt Dresden, die aktuellen Ermittlungstätigkeiten auf die Kommunalwahl auszudehnen." Ob und inwieweit durch die Rechtsaufsichtsbehörde entsprechende Veranlassungen getroffen würden, sei nicht bekannt.

Immerhin seien die Stimmzettel der Kommunalwahl aber noch verfügbar und bei der Stadt eingelagert.

Politiker fordern sachsenweite Prüfung

Unterdessen könnte das Ganze noch weitere Folgen haben: "Da manipulierte Stimmzettel in verschiedenen Briefwahllokalen entdeckt worden sind, erwarte ich, dass die Stimmzettel in ganz Sachsen überprüft werden - zumindest stichprobenartig", so Dresdens Linke-Chef Jens Matthis. 130 manipulierte Zettel seien zu viel, um sie in einem Seniorenheim eingesammelt haben zu können. "Aber zu wenige, um das Wahlergebnis zu fälschen." Wer so etwas jedoch mache, wolle vermutlich das Ergebnis beeinflussen. Deshalb liege es nahe, dass mehr Fälschungen stattgefunden haben könnten.

"Der genaue Ablauf und Zusammenhang muss aufgeklärt werden, um festzustellen, wo genau die Fehlerquelle im Verfahren ist", so Matthis. "Die Manipulation wirkt sehr professionell." Zudem müsse geklärt werden, ob es doch Auswirkungen auf das Wahlergebnis hat, also welchen Parteien die überklebten Stimmen eigetnlich überklebt wurden.

Mehr Geld durch Manipulation für "Freie Sachsen"?

Auch Dresdens SPD-Chef und Landtagsabgeordnete Albrecht Pallas fordert eine eingehende und sachsenweite Prüfung. "Diese Manipulation zugunsten der "Freie Sachsen" hat das Potenzial, das Vertrauen der Bürger in demokratische, freie und geheime Wahlen zu erschüttern. Es muss sehr genau ermittelt werden, ob es mögliche weitere Manipulationen gegeben hat."

Pallas fordert, dass das "reale" Ergebnis der "Freie Sachsen" festgestellt wird. "Auch damit sie nur in dieser Höhe eine Parteienfinanzierung erhalten und nicht einen Betrag, der eventuelle zu hoch ist." Hintergrund ist, dass alle Parteien, die mindestens ein Prozent der Wählerstimmen erlangt haben, einen Teil der Wahlkampfkosten erstattet bekommen, indem sie pro Wählerstimme 83 Cent erhalten. Für die "Freien Sachsen" gab es laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 52.195 Stimmen in Sachsen. Umgerechnet wären dies gut 43.000 Euro aus Steuergeldern. "Es ist schlimm, dass eine gesichert rechtsextreme Bestrebung überhaupt daran beteiligt wird und staatliche Gelder erhält", so Pallas.

Die Stimmen für die "Freie Sachsen" entsprechen 2,2 Prozent - in Wahlkreis, in dem wegen der Manipulation ermittelt wird, sind es 10,2 Prozent.

"Kriminelle Energie am Werk"

Aufklärung wird auch von der CDU gefordert, so Dresdens CDU-Chef und Bundestagsabgeordneter Markus Reichel. "Hier war kriminelle Energie am Werk. Es muss geklärt werden, ob weitere Wahlkreise betroffen sind und wie so etwas möglich ist." Es sei "beunruhigend", auch wenn es keinen Einfluss auf das Gesamtergebnis haben werde.

Auch die in Sachsen als rechtsextrem eingestufte AfD äußert sich dazu. "Wir hatten schon immer Bauschmerzen, wegen der Manipulationsanfälligkeit bei der Briefwahl", so Fraktionschef Thomas Ladzinski.

Was "Freie Sachsen" dazu sagen

Die Partei "Freie Sachsen" habe von der möglichen Wahlfälschung aus den Medien erfahren, sagt der für Dresden zuständige der "Freie Sachsen" Hans-Jörg Schneese. "Ich kann nicht verifizieren, was da dran ist, mit uns hat auch noch niemand gesprochen."

Für Schneese sei "unklar, von wem das ausgegangen ist". Briefwahl sei "anfällig für Manipulation". Er halte es "nicht für ausgeschlossen, dass staatliche Akteure dahinter stecken", so seine These. Die "Freien Sachsen" seien es jedenfalls laut Schneese nicht. "Das wäre ja politischer Selbstmord, entspricht nicht unserem Leitbild und ist auf jeden Fall ein Schaden für uns, egal von welcher Seite es kommt."

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