HESSEN: BLAMAGE FüR DIE BRENNSTOFFZELLE

Die Wasserstoffzüge stehen in der Werkstatt, stattdessen fahren Busse, mal wieder: Seit fast zwei Jahren fallen im Taunus ständig Bahnen aus. Auch andere Regionen verzweifeln an der Technik. Jetzt setzen sie auf eine Alternative.

Die Hoffnungen waren groß, als im Dezember 2022 die ersten Wasserstoffzüge im hessischen Taunus in Betrieb gingen. Auf Strecken, die über keine Oberleitungen verfügen, soll Wasserstoff den Zugverkehr klimafreundlicher machen – gleich 27 solcher Züge sollten dort fahren und Dieselfahrzeuge ablösen.

Tatsächlich steht gerade ein »Großteil« der Flotte wegen »technischer Probleme« im Depot, berichtet die Frankfurter Neue Presse (FNP). Folglich sind nicht genügend Züge für einen planmäßigen Betrieb einsatzbereit. Auf der Linie der RB15 zwischen Frankfurt am Main und Brandoberndorf gilt laut Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) daher bis mindestens Mitte Dezember ein Notfallfahrplan. Statt hochmoderner Wasserstoffzüge verkehren auf einer Teilstrecke momentan nur Busse.

DER SPIEGEL fasst die wichtigsten News des Tages für Sie zusammen: Was heute wirklich wichtig war - und was es bedeutet. Ihr tägliches Newsletter-Update um 18 Uhr. Jetzt kostenfrei abonnieren.

Es ist nur die weitere Episode eines Dramas, das seit Beginn des Prestigeprojekts anhält – und die Zweifel am Wasserstoffantrieb lauter werden lässt. Anfangs lieferte der französische Zughersteller Alstom die bestellte Flotte nur verzögert; erst nach einem Jahr waren alle 27 Züge da, sie verkehrten aber noch nicht auf allen vier vorgesehenen Linien. Wegen Personalmangel und technischer Probleme mit den Zügen fielen in der Region immer wieder Fahrten aus.

Landrat: Wasserstoffantrieb ist »grundlegend unzuverlässig«

Nun also wieder Einschränkungen, die vor allem Pendler empfindlich treffen. Die Verantwortung dafür sehen Fahrgastvertreter von »Pro Bahn« auch beim Verkehrsverbund, der die Flotte schließlich bestellt und nicht unter realistischen Bedingungen getestet habe.

Doch die größte Wut richtet sich gegen Hersteller Alstom. Der begründet die Probleme gegenüber der FNP einerseits mit Materialengpässen bei den Ersatzteilen – andererseits aber auch mit einer »eingeschränkte(n) Funktionalität einzelner Brennstoffzellen«. Also mit Problemen mit der Wasserstofftechnik selbst.

Die Entscheider vor Ort haben es inzwischen satt. Kürzlich brachte der Landrat des Hochtaunuskreises, Ulrich Krebs (CDU), gar ins Spiel, die Umstellung auf Wasserstoff zurückzudrehen. »Wir erwarten, dass Alstom sämtliche Kosten für Ausfälle, Ersatzverkehre und alternative Fahrzeuge trägt«, wird Krebs in einer Mitteilung zitiert – auch Diesel-Ersatzfahrzeuge forderte er. »Es muss klar sein: Hält die andauernde Nichtverfügbarkeit der Fahrzeuge an, kommt auch eine Aufkündigung des Vertrags mit den Brennstoffzellenfahreugen in Betracht.« Inwiefern solch eine Aufkündigung rechtlich überhaupt möglich wäre, dazu will sich der RMV laut FNP nicht äußern.

Trotzdem ist schon diese Androhung eines Rückzugs eine Blamage für die Wasserstofftechnik. »Offenkundig« sei die Antriebstechnik »grundlegend unzuverlässig«, so formuliert es der Landrat. Tatsächlich hapert es auch woanders immer wieder mit den Wasserstoffzügen – während Batteriezüge ihnen zunehmend den Rang abzulaufen scheinen.

Akkuzüge sind vielerorts wirtschaftlicher

Beide Antriebe – Brennstoffzelle und Batterie – gelten als Lösung für die Nebenstrecken, die über keine elektrischen Oberleitungen verfügen. Im Fernverkehr wird so gut wie jeder Zug elektrisch angetrieben, aber auf den weniger befahrenen Strecken lohnt sich eine Ausrüstung mit Oberleitungen nicht immer. Hier sollen alternative Antriebe die alte Dieseltechnik ablösen.

Doch bei Wasserstoffzügen mehrten sich zuletzt die Negativmeldungen. Die nach eigenen Angaben erste Wasserstoffzugflotte der Welt, die seit 2022 in Niedersachsen verkehrt, fährt zurzeit nur eingeschränkt – weil den Wasserstoffzügen der Wasserstoff fehlt. Wegen des Treibstoffmangels fahren deshalb teilweise wieder Dieselzüge; manche Fahrten fallen aus.

Bevor die Züge im Regelbetrieb fuhren, testete die Landesnahverkehrsgesellschaft ab 2018 zwei Prototypen – ohne Störungen. Doch inzwischen schwenkt sie auf den Batterieantrieb um: Die restlichen Dieselfahrzeuge sollen durch über 100 neue Akku-Züge, nicht Wasserstoffzüge ersetzt werden. In einer Markterkundung habe sich erwiesen, dass Akku-Züge »im Betrieb günstiger« seien.

Ähnlich in Baden-Württemberg: In einer 2022 veröffentlichten Untersuchung erwiesen sich Batteriezüge auf 16 nicht-elektrifizierten Teilstrecken als wirtschaftlicher als Wasserstoffzüge. Im Frühjahr dieses Jahres ersetzten das Land und das regionale Verkehrsunternehmen die alten Dieselzüge im Ortenaukreis. Mit Batteriezügen.

2024-10-01T17:36:48Z