ZUM TOD VON CATERINA VALENTE: ADIEU, CATRIN

Caterina Valente, in Paris ge­borene Italienerin, war eine Künstlerin, die mit der bundesdeutschen Nachkriegsunter­haltungsgeschichte eng verwoben blieb. Ihre Internationalität, die als solche noch kein Alleinstellungsmerkmal war – man denke an Vico Torriani, Lou van Burg, Chris Howland, Bill Ramsey und Rudi Carrell –, erzeugte, mehr als bei den Genannten, eine spezifische Reibung mit dem Publikum und wirkte schon durch die leichtfüßige Virtuosität, mit der sie ihre Talente in den unterschiedlichsten Repertoires ausspielte, irgendwie wohl auch provozierend. Sie bekam, wie Marlene Dietrich, wie Hildegard Knef, wie Romy Schneider, nur vielleicht nicht ganz so heftig, zu spüren, dass all ihre überragenden Fähigkeiten auf einmal nicht mehr viel galten, als sie ihrem Publikum untreu wurde. Anders als wiederum diese Genannten hielt sie mit ihrer Verletzlichkeit hinterm Berg und überstand Imagekrisen jedenfalls nach außen hin einigermaßen heil.

An ihr lässt sich die Dialektik zwischen Publikumsgunst und den dann doch recht festgezurrten Erwartungen dieses Publikums, letztlich zwischen (kommerziellem) Erfolg und wirklicher, rein aufs Können achtender Wertschätzung studieren. Sie offenbarte sich an Wegmarken ihrer Karriere, so nach ihrem endgültigen internationalen Durchbruch 1959 mit sieben Konzerten im Pariser Olympia, nach ebensolchen beim Londoner Talk Of The Town und ihren vielen Gastspielen in Amerika, wo sie schon 1956, in New York, ihre erste Jazzplatte aufnahm. „If you make it here you can make it anywhere“ – die Wahrheit von Frank Sinatras Losung hatten vor und nach ihr auch andere Europäer erfahren, meistens ebenfalls mit dem Effekt einer gewissen Portion Neid und Häme.

Herkunft aus einer Zirkusartistenfamilie

Um sich eine Vorstellung von dem Rang zu machen, den Caterina Valente als in sechs Sprachen fließend sprechende, in zwölf singende Sängerin von Chansons, Jazz, Bossa Nova und, in Deutschland quasi notgedrungen, Schlager, als Schauspielerin, als Tänzerin und als Showmasterin während der Wirtschaftswunderjahre und noch weit darüber hinaus innehatte, mögen ein paar Namen allein der Amerikaner genügen, mit denen sie, durchweg auf Augen- und Ohrenhöhe, arbeitete: Perry Como, Bing Crosby, Dean Martin, Danny Kaye, Chet Baker, Ella Fitzgerald. Letztere mochte mit einem berühmten Diktum die Knef, enorm karrierefördernd, als größte Sängerin ohne Stimme bezeichnet haben – die Valente bewunderte Ella Fitzgerald ehrlich und sah in ihr eine der wenigen Konkurrentinnen, vielleicht sogar die einzige. Tatsache ist, dass Caterina Valente als europäische Jazzsängerin in den 50er- und 60er-Jahren einsame Spitze war, die mit sentimentalen wie mit härteren, schnelleren Standards buchstäblich spielend, manchmal auch ein wenig (zu) verspielt fertig wurde; unmöglich, unter den mehr als 1500 Titeln, die sie, in Deutschland anfangs auf Polydor, dann beim Giganten Telefunken, herausbrachte, auch nur die wichtigsten zu nennen.

Die außergewöhnliche Behändigkeit ihrer Stimme, die es ihr erlaubte, von samtig-verschatteten Tönen gefühlvollen Innehaltens abrupt in hell-schrille, spitze Ausbrüche selbstgenügsamer, aber unwiderstehlicher Vitalität zu wechseln, war wohl ihr größtes Kapital. Ein anderes war ihre Herkunft aus einer italienischen, bis in die Sowjetunion vertriebenen Zirkusartistenfamilie, in die sie 1931 wie einige Jahre vorher ihr Bruder Silvio Francesco hineingeboren wurde und mit der sie schon im ganz zarten Alter auftrat. Der Zirkus, so darf man vermuten, vermittelte ihr Härte, Leidensfähigkeit, einen eisernen Durchhaltewillen und absolute Professionalität, welche diesen quirligen, quicklebendigen Tausendsassa nie die Fassung verlieren und nie straucheln ließ.

Nachdem die Familie in Paris wieder halbwegs sesshaft geworden war, trat Caterina Valente dort mit 16 in Nachtclubs auf, machte mit 17 in Stockholm ihre allerersten Gesangsaufnahmen, bald mit Gilbert Bécaud gemeinsame Sache und fand beim Südwestfunk in Baden-Baden schließlich ihren großen Förderer, den wohl ausgebufftesten deutschen Big-Band-Leiter Kurt Edelhagen, der ihr den letzten Swing-Schliff verpasste, unter dessen Obhut es allerdings auch passierte, dass der „Spiegel“ sie als „Stimme des Aufschwungs“ ausrief. Damit war sie hierzulande auf den Schlager festgelegt, der sie technisch und, mit dem genreüblichen Biedersinn, auch mental unterforderte, den sie dem Publikum ein gutes Jahrzehnt lang trotzdem gab, bereitwillig und durchweg gut gelaunt, aber mit zusammengebissenen Zähnen, was man getragenen Liedern wie „Ganz Paris träumt von der Liebe“ oder „Wo meine Sonne scheint“ genauso wenig anmerkte wie den aufgekratzten, lustig-neckischen, bisweilen dem Nonsens verschriebenen wie „Komm ein bisschen mit nach Italien“, „Spiel noch einmal für mich, Habanero“, „Tschau, Tschau, Bambina“ und „Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu-Strand-Bikini“.

Eine Mischung aus Leslie Caron und Grace Kelly

Wer aber ihre Auswärtsspiele mitverfolgte, wer sie scatten hörte und steppen sah, dem blieb der Mund offen. „Ein Ton – und sie hatte uns für den Rest des Abends am Kragen“, notierte die Londoner „Times“ nach einem Konzert 1971. Kostproben erlebte auch das deutsche Fernsehpublikum in ihren eigenen Shows, in denen sie ihre romanische Weltläufigkeit dosiert zum Einsatz brachte und, halb noch im Schicklichkeitskorsett der verblichenen Schlagerära steckend, auf Frivolitäten weitgehend verzichtete. Die Androgynität ihrer Pferdeschwanzvergangenheit wirkte nach, die Valente changierte geradezu schwebend zwischen dem Kumpel zum Pferdestehlen und erotischem Idol, halb Leslie Caron, halb Grace Kelly.

Man kann, jedenfalls in dieser Zeitung, von Caterina Valente nicht reden, ohne den zu erwähnen, der wahrscheinlich ihr versiertester Statthalter im hiesigen Sprachraum war: Dieter Bartetzko, langjähriger Architekturkritiker und Schlagerfachmann der F.A.Z. Sobald eine Wiederausgrabung von Valentes Jazz-Alben in seine Hörweite kam, war es einem als Redakteur der damals noch wöchentlich erscheinenden Schallplattenseite das reine Vergnügen, ihm dafür ordentlich Platz einzuräumen. Und einmal, vor gut zehn Jahren, platzte ihm angesichts des konformistischen Nachwuchses der Kragen, und er forderte im Feuilleton: „Gebt uns endlich wieder Entertainer!“ Unter den durchweg männlichen Showmastern war eine einzige Frau, der Bartetzko aber die größte Aufmerksamkeit widmete: die Valente. Was das Sterben betrifft, so wurde die natürliche Reihenfolge nicht eingehalten. Dieter Bartetzko starb 2015 in einem Alter, in dem man laut Udo Jürgens eigentlich erst so richtig loslegt, mit 66 Jahren. Caterina Valente, dieses bis zuletzt verspielte, so unnachahmlich elegant-virtuose Zirkuskind, ist nun mit 93 Jahren in Lugano gestorben.

2024-09-12T17:19:58Z dg43tfdfdgfd