BASSEM YOUSSEF AUF DEUTSCHLAND-TOUR: ER MACHT NOCH WITZE üBER GAZA UND GEISELN

Scherze über Geiseln? Über muslimische Diktatoren oder jüdische Besatzer? Bassem Youssef, der berühmteste Komiker der arabischsprachigen Welt, füllt damit Hallen in London, Rotterdam und Hamburg.

Da ist er, der berühmteste Komiker der arabischsprachigen Welt. Er winkt, die Leute springen auf. »Free free Palestine«, Freiheit für Palästina, rufen sie in der Friedrich-Ebert-Halle in Hamburg-Harburg. Manche schwenken ihre Kufiyas, ihre Palästinensertücher, über dem Kopf. Einer schreit: »Wir lieben dich, Bassem.«

Hunderte Handykameras sind auf den 50-jährigen Ägypter gerichtet. Youssef spricht Englisch, wie bei allen Shows seiner »Middle Beast«-Tour. »Euch wurde vorher doch nicht nur einmal gesagt: keine Mobiltelefone! Und kaum komme ich auf die Bühne? Häh?« Er schüttelt den Kopf, fuchtelt mit den Händen. Er liebe es, in einem Theater voll mit Arabern aufzutreten. »Ihr gebt einfach einen Dreck darauf, was man euch sagt.«

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Youssef wird ernst. Die Handys müssten weg. »Versetzt euch in meine Position«, sagt er. »Ich mache einen Witz, der kontrovers sein könnte.« Und das auf Video? Dann sei er erledigt, sagt er, »I’m fucked«.

Alle im Saal dürften wissen, was er meint. Youssef spottet ohne Rücksicht auf Verluste, immer schon, und dafür feiern die Zuschauerinnen und Zuschauer ihn auch heute.

Späße über muslimische Diktatoren? Islamisten? Das ägyptische Militär? Der Komiker musste deshalb 2014 seine Heimat verlassen, er lebt nun in den USA. Und hörte nicht auf. Auch auf deutschen Bühnen legt er los: Kritik an Israel, Spott über die Eskalation in Nahost, auch antisemitische Sprüche.

Wochen im Voraus ausverkauft

Der Komiker, früher Herzchirurg, ist schon lange eine große Nummer in der arabischsprachigen Welt. Zum Superstar wurde er nach dem 7. Oktober 2023, dem Tag des Massakers durch die Hamas.

Israel griff danach den Gazastreifen an, Youssef lieferte sich wenig später einen Schlagabtausch mit einem bekannten englischen Fernsehmoderator dazu. Er verurteilte die Hamas, vor allem aber attackierte er wortgewaltig die rechts-religiöse israelische Regierung.

Wer sich das Gespräch anschaut, bekommt schnell ein Gefühl dafür, wie schwarz und beißend Youssefs Humor ist. So höhnt er darüber, dass die Israelis der Hamas immer wieder vorwerfen, Zivilisten zu missbrauchen, um Angriffe zu verhindern. Er wisse, wovon sie sprächen, sagt der Comedian. Er sei ja mit einer Palästinenserin verheiratet und habe mehrmals versucht, sie umzubringen, vergeblich. »Sie nutzt jedes Mal unsere Kinder als lebendige Schutzschilde.«

Ausschnitte aus dem Interview rauschten zigmillionenfach durch die TikTok- und Instagramkanäle junger Menschen auf der ganzen Welt. Viele seine Shows in Europa waren Wochen im Voraus ausverkauft.

An diesem Abend sind mehr als tausend Menschen gekommen, die meisten haben eine Migrationsgeschichte. Youssef hat es abgefragt. »Wie viele Leute hier sind aus der arabischen Welt«? Fast alle Hände gehen hoch. »Wie viele weiße Leute sind hier?«. Vereinzelte Meldungen. »Gut. Haltet die Hände bitte oben. Wir haben die möglichen Geiseln lokalisiert.«

Ein kleiner Freudentanz auf der Bühne

Er spricht viel über seine Erfahrungen in Ägypten und in den USA. Milliarden Dollar hätten die Amerikaner 2016 für den Wahlkampf ausgegeben, und am Ende sei Donald Trump Präsident geworden. »Unfassbar, oder?«, sagt er. »Im Nahen Osten bekommen wir die Arschlöcher gratis.« Tosender Applaus.

Eines seiner Lieblingsthemen: der Alltagsrassismus, der ihm in seiner Wahlheimat begegne. Wo jeder mit arabischem Namen nach einem Terroranschlag fürchte, dass es wieder »ein Mohammad« gewesen sein könne, weil Muslime danach noch kritischer beäugt würden.

Arabische Männer stünden in den USA ohnehin unter Generalverdacht. Der Attentäter, »er hieß Stephen!?«. Youssef macht auf der Bühne einen kleinen orientalischen Freudentanz.

Ein weißes Paar denke vor der Geburt seines Kindes darüber nach, wie es später das College finanziere, sagt er. »Wir machen uns Gedanken, welchen Namen wir unserem Sohn geben können, damit er durch die Sicherheitskontrolle kommt.«

Über Israel wolle er lieber nicht sprechen, behauptet Youssef und tut es dann doch. Was folgt, ist nicht mehr zum Lachen. Er spricht über die Briten, die eine muslimische Invasion fürchteten. Dabei hätten doch sie den Nahen Osten kolonialisiert und ausgebeutet, im Gegenzug hätten sich eben viele Menschen von dort auf den Weg nach Europa gemacht. »Vielleicht«, sagt er dann, »wenn ihr nicht gekommen wärt, um den Nahen Osten zu ruinieren, indem ihr Leuten ein Land gabt, die es nicht verdienten…«.

Er führt den Satz nicht zu Ende. Einen Satz, der nicht witzig, sondern antisemitisch ist.

Youssef ist noch nicht fertig: Er wisse, wie sensibel die Dinge hier seien und dass es heiße, Deutschland unterstütze Israel aus Schuldgefühlen heraus. »Ich glaube nicht, dass sie Israel aus Schuldgefühlen heraus unterstützen«, sagt er. »Ich denke, Deutschland schaut auf Israel und sieht sich selbst darin.« Gelächter.

»Sie sehen, wie Israel den Rest des Nahen Ostens kaputtmacht, und sie sagen: Das habe ich mit dem Rest Europas gemacht. Mein Mini-Me.« Man kann es gar nicht anders verstehen, als dass er Israel mit Hitlerdeutschland gleichsetzt.

Er hat einen Traum

Am Ende der Show breitet Youssef die Arme aus und schaut seine Zuschauerinnen und Zuschauer an. »I have a dream«, ruft er, als wäre er der Bürgerrechtler Martin Luther King. Ich habe einen Traum. »Ich hoffe, dass wir irgendwann da draußen die gleiche Freiheit haben wie hier im Theater.« Das Publikum brüllt »Inschallah«, so Gott will.

Alle müssen lachen. Denn Araber wissen auch, dass man es oft sagt, wenn klar ist: Das wird wohl nichts.

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