KREUZFAHRTSCHIFF SITZT IM HAFEN FEST – UND LäSST PASSAGIERE NICHT MEHR AN BORD, DIE SICH BESCHWEREN

Auf der Villa Vie Odyssey leben die Passagiere dreieinhalb Jahre, während derer sie die Welt umrunden.

Jenny Phenix war bereit, den Rest ihres Lebens auf einem Kreuzfahrtschiff zu verbringen. Urlaube auf See hat sie schon immer geliebt. Als 69-jährige Alleinreisende mit einer „Sucht nach dem Meer“, wie sie selbst sagt, findet sie eine Kreuzfahrt einfach, sicher und bequem.

Die nie endende Reise der US-Reederei Villa Vie Residences stellte für sie daher eine unwiderstehliche Chance dar. In dreieinhalb Jahren würde das Schiff die Welt umrunden. Phenix wurde jedoch der Zutritt auf das Schiff verwehrt, bevor sie ihre Weltkreuzfahrt-Träume verwirklichen konnte.

Offenbar kündigte Villa Vie nämlich vorab die Verträge von zwei Frauen: einerseits den von Phenix, andererseits den der 66-jährigen Kabinen-Käuferin, Bonny Kelter. Der Grund des Rauswurfs klingt unglaublich. Denn: Wie aus E-Mails hervorgeht, die Business Insider einsehen konnte, waren „ständige Beschwerden und die Negativität“ der Passagierinnen der Grund für die Kündigung.

Die Kreuzfahrt um die Welt liegt vier Monate hinter dem Zeitplan

„Sie haben sich nicht nur beschwert, sie haben uns direkt mit den Medien gedroht, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen“, ordnet Mikael Petterson in einem Schreiben an die Redaktion ein. Er ist der Gründer und CEO von Villa Vie. „Am Ende des Tages haben wir die gleiche Option wie jeder andere, Geschäfte mit Menschen einzugehen oder nicht.“

Phenix und Kelter bestreiten jedoch, mit den Medien gedroht zu haben, bevor ihr Vertrag gekündigt wurde. Kelter erwägt nun rechtliche Schritte, wie sie uns mitteilt.

Villa Vie kündigte die Verträge von Jenny Phenix (l.) und Bonny Kelter, weil sie sich negativ über das Unternehmen geäußert hatten.

Das Schiff der Firma, die Villa Vie Odyssey, tritt eine fortwährende Reise an. Auf ihrer Weltumrundung will sie 147 Länder und 425 Ziele ansteuern. Die Reisenden sollen Europa, Asien, Australien, Süd- und Nordamerika sowie Afrika sehen. Dabei leben sie in dem schwimmenden Wohnkomplex mit dem Komfort einer traditionellen Kreuzfahrt.

Villa Vie renoviert das mehr als 30 Jahre alte Schiff vor seiner Abfahrt. Probleme wie die veralteten Ruderstöcke und Zertifizierungen des Schiffes haben die Reise allerdings verzögert. CEO Petterson hofft, endlich im September in See stechen zu können – etwa vier Monate hinter dem Zeitplan.

CEO Petterson war zuvor Geschäftsführer eines dubiosen Kreuzfahrt-Unternehmens

Eigentlich hätte die Villa Vie Odyssey im Mai ablegen sollen.

Bewohnende können entweder eine Kabine kaufen oder Teilstrecken der Reiseroute reservieren. Phenix entschied sich für Letzteres und reservierte für die ersten dreieinhalb Jahre ihre Innenkabine und plante, sie schließlich zu kaufen. Einzelbelegungskabinen beginnen preislich bei umgerechnet 108.000 Euro mit einer zusätzlichen monatlichen Gebühr von 2250 Euro.

„Ich hätte den Rest meines Lebens auf diesem Schiff gelebt“, schildert sie im Gespräch mit Business Insider. „Es gibt keinen Zweifel daran.“

Wie mehr als 200 andere Reisewillige kam Phenix im Mai in Großbritannien an, um an Bord der Odyssey abzulegen. Sie sei bereits zweimal an Bord gewesen – denn Bewohnende können vorab das Schiff besuchen, dürfen aber nicht über Nacht bleiben – und habe Gepäck in ihrem zukünftigen Wohnraum gelassen.

Job gekündigt und Wohnung vermietet – alles für die Kreuzfahrt um die Welt

Der Übergang vom Leben an Land zum Leben auf See wäre reibungslos verlaufen. Laut eigenen Angaben hatte sie bereits längst ihren Job gekündigt und ihre Wohnung in West Palm Beach, Florida, vermietet, da sie ursprünglich eine dreijährige Reise mit Life at Sea Cruises antreten wollte.

Allerdings sagte die Reederei die Reise von Life at Sea zwei Wochen vor dem Einschiffungstermin im November 2023 ab. Das Unternehmen hatte nicht genügend Mittel für den Kauf eines Schiffes aufbringen können. Acht Monate später meldete es Insolvenz an. Villa Vie-CEO Petterson war damals Geschäftsführer von Life at Sea gewesen. Er verließ das Unternehmen einige Monate, bevor die Reise abgesagt wurde.

Life at Sea Cruises hat seine dreijährige Reise zwei Wochen vor dem geplanten Auslaufen im November 2023 abgesagt. Mehrere ehemalige Life at Sea-Käuferinnen und -Käufer haben inzwischen eine Kabine auf der Villa Vie erworben.

Phenix sagte, sie habe noch keine Rückerstattung von Life at Sea erhalten. Einen Monat nachdem deren Reise abgesagt wurde, versuchte sie erneut ihr Glück und schickte eine erste Anzahlung an Villa Vie.

Seitdem hat sie Villa Vie umgerechnet mehr als 16.700 Euro gezahlt. „Ich habe das zweimal gemacht“, so Phenix. „So sehr wollte ich eine Weltkreuzfahrt machen.“

Einige Käuferinnen und Käufer haben begonnen, in das Wohnkreuzfahrtschiff einzuziehen.

Sie hatte, wie einige andere künftige Bewohnende, in privaten Whatsapp-Gruppenchats Bedenken über die sich ändernden Dienstleistungen des Unternehmens geäußert.

In der Kündigungs-Mail an beide Frauen begründet es diese Unklarheiten folgendermaßen: Als das Wohnkreuzfahrtunternehmen 2023 startete, habe es noch kein Schiff erworben. Aus diesem Grund seien die Einzelheiten der Kreuzfahrt noch nicht endgültig festgelegt und konnten sich ändern.

„Wenn man mir ein Produkt verkauft, möchte ich das Produkt haben“, sagt Phenix. „Sie haben es ständig geändert und Dinge weggenommen, und ich habe mich darüber beschwert.“

Ein Beispiel, das sie anführte, waren die virtuellen Fenster. Villa Vie hatte ursprünglich angekündigt, seine Innenkabinen mit digitalen Bildschirmen auszustatten, die eine Live-Aufnahme der Außenseite des Schiffes zeigen, ähnlich einem echten Fenster. Für Phenix war das ein Grund, überhaupt in das Projekt einzusteigen. Nur wegen der Bildschirme sei sie bereit gewesen, dreieinhalb Jahre in einem fensterlosen Raum zu leben, sagt sie.

Doch dann zog Villa Vie das Angebot bei der Renovierung seines Schiffes wegen technischer Schwierigkeiten zurück.

Villa Vie erwarb die Odyssey im Dezember 2023 von der Reederei Fred Olsen Cruise Lines. Zuvor war das über 30 Jahre alte Schiff für Unternehmen wie Norwegian Cruise Line unterwegs gewesen.

Mitte Juli informierte Kathy Villalba, COO von Villa Vie, Phenix und Kelter per E-Mail darüber, dass ihre Verträge aufgrund ihres Verhaltens gekündigt wurden. In den E-Mails hieß es, dass Villa Vie mehr als ein Dutzend Beschwerden von Bewohnern über die Negativität beider Käuferinnen erhalten habe, die die Moral und das Wohlbefinden anderer Passagiere „erheblich beeinträchtigt“ hätten.

In einer Antwort-E-Mail teilte Phenix der COO mit, dass sie mit der anhaltenden Verzögerung, den Änderungen der geplanten Annehmlichkeiten und ihrer Behandlung unzufrieden sei. Weiterhin schrieb sie, sie wäre weitaus zufriedener gewesen, hätte die Reise näher am ursprünglichen Termin im Mai begonnen.

Mehr als ein Dutzend anderer Bewohnender unterzeichneten eine E-Mail, in der sie Villa Vie baten, den beiden Frauen eine zweite Chance zu geben. Petterson sagte jedoch, dass die Gründungsbewohnenden für die Aufrechterhaltung ihrer Suspendierungen gestimmt hätten.

Manche Bewohnende, die da sSchiff bereits beziehen durften, haben ihre Kabinen inzwischen eingerichtet und dekoriert.

Petterson zufolge wurde Phenix ihr Geld zurückerstattet. Er lehnte es ab, sich zum Sachverhalt der Passagierin Kelter zu äußern, da sie beabsichtige, zu klagen.

Kelter hatte umgerechnet mehr als 90.000 Euro gezahlt, um eine Innenkabine zu kaufen. „Das ist meine Rente. Ich habe mein Haus verkauft“, sagt sie.

Phenix wartet derzeit noch auf ihre volle Rückerstattung. Bisher hat Villa Vie ihr nur ungefähr 7000 Euro zurückgezahlt. Weitere etwa 6600 Euro stehen noch aus – damit fehlen immer noch ein paar Tausend bis zu den 16.700 Euro, die sie insgesamt angezahlt hat.

Statt sich auf das Abenteuer ihres Lebens vorzubereiten, bleibt Phenix jetzt im Haus ihrer Tochter in Florida. Anstelle einer Weltumrundung plant sie, in ihrem eigenen Tempo in einem Wohnmobil zu reisen.

„Selbst wenn ich jeden letzten Cent, den ich gespart habe, ausgegeben hätte, wäre es in Ordnung gewesen, den Rest meines Lebens von meiner minimalen Sozialversicherung zu leben, wenn ich bereits die ganze Welt bereist hätte“, sagte Phenix. „Dieses Gefühl hat sich nicht geändert. Aber mein Bankkonto schon, also denke ich, dass meine zukünftigen Möglichkeiten für Weltreisen leider sehr begrenzt sein werden.“

Lest den Originalartikel auf Business Insider.

2024-09-14T08:33:38Z dg43tfdfdgfd