BAERBOCK BEZEICHNET VIDEO MIT ZUM TODE VERURTEILTEM DEUTSCHEN ALS „UNERTRäGLICH“

In Belarus wurde ein 30-jähriger Deutscher zum Tod durch Genickschuss verurteilt. Jetzt fleht er in einem von der belarussischen Führung lancierten Video darum, dass die deutsche Regierung ihm hilft. Offenbar will Minsk Berlin zum Verhandeln drängen. Dort ist man entsetzt über das Vorgehen.

Ein in Belarus zum Tode verurteilter 30-Jähriger Deutscher hat Machthaber Alexander Lukaschenko in einem vom staatlichen Fernsehen ausgestrahlten Video um Gnade gebeten. Die deutsche Regierung tue nichts für seine Rettung, sagte der Mann.

Er war den Behörden in Minsk zufolge unter anderem wegen Terrorismus im Auftrag des ukrainischen Geheimdienstes verurteilt worden. „Ich bekenne mich schuldig, definitiv“, sagte er. Teils waren die deutschen Aussagen klar zu hören zwischen der russischen Übersetzung.

Das autoritär geführte Belarus vollstreckt als letztes Land in Europa noch die Todesstrafe, und zwar durch Genickschuss. Das Auswärtige Amt in Berlin hatte erklärt, dass der Fall bekannt sei. Der Mann werde konsularisch betreut. Außenministerin Annalena Baerbock verurteilte das Vorgehen der Behörden in Belarus scharf. „Es ist unerträglich, wie das belarussische Regime einen deutschen Staatsangehörigen im Fernsehen vorgeführt hat“, sagte die Grünen-Politikerin am Rande ihrer Sommerreise in Hamburg vor Journalisten.

„Wir sind natürlich als Auswärtiges Amt und auch mit unserer Botschaft vor Ort im engen Austausch, nicht nur mit dem Betroffenen, nicht nur mit der Familie, sondern begleiten ihn bestmöglich auch konsularisch“, sagte Baerbock. Sie fügte hinzu: „Wir müssen alles dafür tun, dass seine Rechte gewahrt werden, gewahrt bleiben.“

Die Todesstrafe sei in Europa abgeschafft und verboten, sagte Baerbock. „Es gibt klare Regeln zum Umgang mit ausländischen Staatsangehörigen, und wir tun alles, um den deutschen Staatsangehörigen bestmöglich zu unterstützen.“

Eine Sprecherin der Bundesregierung hatte sich zuvor bereits „sehr besorgt“ wegen des Videos gezeigt. „Es ist in Belarus leider wohl gängige Praxis, entsprechend Menschen auch in Videos oder im Fernsehen vorzuführen“, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin. „Und wir sind natürlich sehr besorgt, ob der Würde der betroffenen Personen, die durch solches Zurschaustellen massiv verletzt wird.“

Die Sprecherin appellierte an die Führung in Belarus, „eine solche Praxis zu unterlassen, grundsätzlich, aber natürlich auch in diesem Fall“.

Von offizieller Seite keine Hilfe

In dem Video hatte der Mann auch gesagt, nur die eigene Familie kämpfe noch um sein Leben, von offizieller Seite setze sich niemand für ihn ein. „Noch lebe ich, noch hat man die Zeit zu verhandeln, noch ist es nicht zu spät“, flehte er. „Die Regierung sollte um mich kämpfen.“

Der Verurteilte bat in dem offensichtlich von der belarussischen Führung lancierten Video unter Tränen darum, seine Tochter, seine Freundin und seinen Vater wiedersehen zu können.

Immer wieder betonte er, dass er den größten Fehler seines Lebens gemacht habe. „Ich bereue jede einzelne Sekunde“, sagte er. „Ich kann nur von Glück reden, dass niemand getötet oder verletzt wurde. Gott sei Dank!“

Seine letzte Hoffnung ist eine Begnadigung durch Machthaber Lukaschenko, der als letzter Diktator Europas gilt und auch schon Todesurteile gegen Ausländer vollstrecken ließ. „Ich kann nur hoffen, dass der Präsident dieses Landes, Herr Lukaschenko, mir verzeiht“, sagte er.

Spekulationen über Gefangenenaustausch

Der Mann war im Juni zum Tode verurteilt worden. Das Urteil wurde allerdings erst einen Monat später durch Bürgerrechtsorganisationen bekannt. Der Schuldspruch erging unter anderem auch wegen Söldnertums.

Der deutsche Staatsangehörige sagte, der ukrainische Sicherheitsdienst SBU habe ihn beauftragt, im Oktober 2023 militärische Anlagen in Belarus zu fotografieren und ihn zu einem Ort geführt, an dem er einen Rucksack fand, den er an einem Bahnhof südöstlich von Minsk auf den Gleisen abgestellt habe. Der Rucksack explodierte noch vor der Ankunft eines Zuges, niemand wurde verletzt. „Ich bedauere zutiefst, was ich getan habe und bin erleichtert, dass es keine Verletzten gab“, sagte der Mann Tass zufolge.

Das Außenministerium in Minsk hatte mitgeteilt, Berlin Vorschläge zur Lösung der Situation gemacht zu haben. Details dazu gab es nicht.

Spekuliert wurde, dass das mit Russland verbündete Belarus es auf einen Gefangenenaustausch abgesehen haben könnte. So ist Kremlchef Wladimir Putin an der Rückholung eines Russen interessiert, der in Deutschland wegen eines Mordes im Berliner Kleinen Tiergarten im Auftrag russischer Behörden verurteilt wurde. Putin empfing Lukaschenko auf der Klosterinsel Walaam im Ladogasee in der Nähe von St. Petersburg.

Mehrere Menschenrechtsorganisationen hatten die Behörden in Belarus aufgerufen, die Hinrichtung zu stoppen. Das Todesurteil sei besonders alarmierend, weil es vor belarussischen Gerichten zahlreiche und systematische Verstöße gegen das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren und einen fairen Prozess gebe, teilte die Organisation Libereco Anfang der Woche mit. Der 30-Jährige war demnach seit November 2023 in Haft und wurde am 24. Juni verurteilt.

Am vergangenen Samstag meldeten Nachrichtenagenturen unter Berufung auf das belarussische Außenministerium, dass die Führung in Minsk nicht näher bezeichnete „Lösungen“ für den Fall vorgeschlagen habe. Deutsche und belarussische Diplomaten hätten Gespräche über das Schicksal des Mannes geführt. Einzelheiten dazu wurden nicht genannt. Das Bundesaußenministerium erklärte damals, die Todesstrafe sei eine grausame und unmenschliche Form der Bestrafung, die Deutschland unter allen Umständen ablehne.

Belarus ist einer der engsten Verbündeten Russlands. Das Land erlaubte Russland sein Territorium seit dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 zu nutzen.

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