RUSSLAND-SPIONAGE: CDU-INNENPOLITIKER BRINGT PASS-ENTZUG FüR MUTMAßLICHEN RUSSLAND-SPION INS SPIEL

Nach der Festnahme von zwei mutmaßlichen russischen Spionen in Bayern wird über Konsequenzen diskutiert. SPD und FDP sehen dennoch einen Entzug der doppelten Staatsbürgerschaft als Strafmaßnahme kritisch.

Der Innenpolitiker Christoph de Vries (CDU) hat für einen der beiden in Bayern festgenommen mutmaßlichen russischen Spione den Entzug der doppelten Staatsbürgerschaft ins Spiel gebracht.

„Wenn sich im Fall des Beschuldigten Dieter S. der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bestätigt, sollte dies unbedingt auch die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft für diesen mutmaßlichen Terroristen zur Folge haben“, sagte de Vries dem Handelsblatt.

Diese Möglichkeit sieht das Staatsangehörigkeitsgesetz vor, sofern sich der Betroffene „an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland konkret beteiligt“, wie es in dem entsprechend Passus heißt. Im Fall von Dieter S. hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auch einen Haftbefehl eröffnet, der den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung betrifft.

S., der wie der andere Beschuldigte die deutsche und die russische Staatsbürgerschaft besitzt, soll zwischen Dezember 2014 und September 2016 in der Ostukraine als Kämpfer einer bewaffneten Einheit der „Volksrepublik Donezk“ tätig gewesen sein. Nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft handelt es sich hierbei um eine prorussische Vereinigung, die ab Frühjahr 2014 die Kontrolle über den ukrainischen Verwaltungsbezirk Donezk beanspruchte. Ziel war die Loslösung von der Ukraine.

Die beiden Deutsch-Russen waren am Mittwoch in Bayreuth festgenommen worden. Beide kamen in Untersuchungshaft. Die Männer sollen im Auftrag des russischen Geheimdienstes potenzielle Anschlagsziele ausgekundschaftet zu haben. Einige der ins Visier genommenen Objekte habe Dieter S. vor Ort ausgespäht und dabei Fotos und Videos, etwa von Militärtransporten und -gütern, angefertigt, heißt es in einer Mitteilung des Generalsbundesanwalts. Die gesammelten Informationen habe S. dann er an seinen Gesprächspartner übermittelt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte zu den Festnahmen: „Wir können niemals hinnehmen, dass solche Spionageaktivitäten in Deutschland stattfinden.“ Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem „besonders schweren Fall der mutmaßlichen Agententätigkeit für Putins Verbrecher-Regime“.

Außenministerin Annalena Baerbock ließ den russischen Botschafter in Berlin einbestellen. „Wir werden nicht zulassen, dass Putin seinen Terror nach Deutschland trägt“, erklärte Baerbock auf der Plattform X. Das sei dem russischen Botschafter mitgeteilt worden.

Die russische Botschaft in Deutschland wies die Anschuldigungen auf dem Kurznachrichtendienst X zurück. Jegliche Vorwürfe einer Verwicklung der russischen Geheimdienste in die Planung von Angriffen auf Militäreinrichtungen in Deutschland, einschließlich US-Stützpunkten, seien „absurd und ungeschickt“. „Es wurden keine Beweise vorgelegt, die die genannten Pläne der Verhafteten und ihre möglichen Verbindungen zu Vertretern russischer Strukturen belegen würden.“ Der Sprecher des russischen Präsidialamts in Moskau, Dmitry Peskow, sagte, ihm lägen über den Fall keine Informationen vor.

Die Aktionen der Beschuldigten sollten nach Angaben der Bundesanwaltschaft insbesondere dazu dienen, die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu „unterminieren“. Vor diesem Hintergrund habe sich S. gegenüber seinem Gesprächspartner bereiterklärt, Sprengstoff- und Brandanschläge vor allem auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte in Deutschland zu begehen.

SPD und FDP sehen dennoch einen Entzug der doppelten Staatsbürgerschaft als Strafmaßnahme kritisch. „Ich halte nicht viel von reflexhaften Reaktionen nach solchen Zwischenfällen“, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese dem Handelsblatt. Der Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit abzuerkennen, seien „aus guten Gründen enge Grenzen gesetzt“. Es sei richtig, dass hohe Hürden sie schützen. „Insbesondere ist dies kein zulässiges Instrument zur Sanktionierung von Straftaten.“

Behörden sehen Russlanddeutsche als „potentielle Zielgruppe“ für russische Dienste

Ähnlich äußerte sich der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki. „Im Rechtsstaat werden auch schwerste Straftaten von Gerichten nach dem Strafrecht beurteilt und nicht von Ausländerbehörden über das Staatsangehörigkeitsrecht“, sagte Kubicki dem Handelsblatt.

Die Sicherheitsbehörden sehen Russlanddeutsche als „eine potentielle Zielgruppe für russische Nachrichtendienste“. „Auch unter den deutschstämmigen Spätaussiedlern forschen die russischen Nachrichtendienste traditionell nach geeigneten Zielpersonen für eine geheimdienstliche Agententätigkeit“, hieß es in Sicherheitskreisen. Spätaussiedler würden vereinzelt bereits vor ihrer Ausreise nach Deutschland „nachrichtendienstlich angesprochen“.

De Vries warnte indes vor pauschalen Verurteilungen. „Der Großteil der Russlanddeutschen hat zur Zeit der Sowjetunion schlimmste Erfahrungen mit Deportationen und umfassender staatlicher Diskriminierung gemacht“, sagte er. „Diese Menschen und ihre Nachfahren stehen Putin und dem Überfall auf die Ukraine komplett ablehnend gegenüber und engagieren sich hierzulande sogar in der Flüchtlingshilfe für die Ukrainer.“

Gleichwohl hält es der CDU-Politiker für dringend geboten, die permanente Einflussnahme durch die staatlichen russischen Propagandamedien zu unterbinden, die bei Teilen der Spätaussiedler Spuren hinterlasse. Die Sender Russia Today, Sputnik und andere müssten „vollständig abgeschaltet werden, auch ihre Streamingformate im Internet“.

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