PROZESS : THüRINGENS AFD-CHEF WEGEN VERBOTENER PAROLE VOR GERICHT

Weil er eine verbotene Parole der SA verwendet habe, muss sich Thüringens AfD-Chef Björn Höcke vor Gericht verantworten. Es sind nicht die einzigen Vorwürfe gegen ihn.

Ermittelt wurde gegen Thüringens AfD-Chef Björn Höcke schon mehrfach, nun hat ein Prozess gegen den 52-Jährigen begonnen: Er soll NS-Vokabular verwendet haben und muss sich deshalb von diesem Donnerstag an vor dem Landgericht in Halle verantworten.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verwendet zu haben. Er soll eine verbotene Losung der Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP, verwendet haben. Noch vor einer Woche bestritt der frühere Geschichtslehrer im Fernsehen, gewusst zu haben, dass es sich um eine verbotene Parole handelte.

Höcke hat sich am ersten Verhandlungstag nicht zu dem Vorwurf geäußert. Sein Mandant werde sich später äußern und auch Fragen der Staatsanwaltschaft beantworten, erklärte einer seiner Verteidiger am Donnerstag. Der nächste Verhandlungstag ist am kommenden Dienstag geplant.

Höcke ist Spitzenkandidat der Thüringer AfD für die Landtagswahl am 1. September. Sein Landesverband wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet. Bei einer Verurteilung reicht der Strafrahmen von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Bis zu einer möglichen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Bislang sind vier Verhandlungstage angesetzt. 

Staatsanwaltschaft: Höcke kannte die Bedeutung der Losung

Ausgangspunkt für die Anklage gegen Höcke ist eine Rede, die er im Mai 2021 in Merseburg in Sachsen-Anhalt (Saalekreis) gehalten hat. Dabei soll er gesagt haben: „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“.

Der damalige sachsen-anhaltische Grünen-Chef Sebastian Striegel erstattete Anzeige gegen den AfD-Politiker und verwies auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, demzufolge das Verwenden der Formulierung „Alles für Deutschland“ im Rahmen einer Rede auf einer Versammlung strafbar ist.

Im vergangenen Jahr erhob die Staatsanwaltschaft Halle Anklage. Sie wirft Höcke vor, von der Herkunft und der Bedeutung der Losung gewusst zu haben. Nach damaligen Angaben der Staatsanwaltschaft hatten Höckes Anwälte die strafrechtliche Relevanz seiner Äußerung in Abrede gestellt.

Kurz vor Beginn des Prozesses war der Umfang der Anklage verändert worden. Die Kammer habe am Mittwoch beschlossen, die Anklagepunkte zum Verwenden der verbotenen Parole „Alles für Deutschland“ in Gera wieder von dem Fall in Merseburg abzutrennen, sagte Gerichtssprecherin Adina Kessler-Jensch am Donnerstagmorgen. Grund dafür sei, dass die Verteidiger von Höcke kurzfristig gewechselt haben.

Die neue Verteidigung habe noch keine Einsicht in die Akten zum Vorfall in Gera und deshalb nicht ausreichend Zeit gehabt, sich auf die Verhandlung am Donnerstag vorzubereiten. „Dieser Teil des Vorwurfs wird also nicht Gegenstand des heutigen Hauptverhandlungstages sein“, sagte Kessler-Jensch.

Höcke verteidigte seine Wortwahl

Noch vor Beginn des Prozesses äußerte sich Höcke im Fernsehen zu den Vorwürfen. Er verteidigte seine Wortwahl in einem TV-Duell gegen den Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt. Er habe die Parole in einer freien Wahlkampfrede genutzt und letztlich den Slogan „America First“ von Donald Trump frei interpretierend ins Deutsche übertragen, sagte er eine Woche vor Prozessbeginn beim Sender Welt.

Auf die Frage, ob er während der Rede nicht gewusst habe, dass „Alles für Deutschland“ eine SA-Parole sei, sagte er: „Nein, ich wusste es nicht.“ Es handele sich um einen Allerweltsspruch.

Höcke-Gegner demonstrieren vor Gerichtsgebäude

Für den ersten Hauptverhandlungstag ist davon auszugehen, dass – wie üblich – die Anklageschrift verlesen wird. Dann hat Höcke die Möglichkeit, sich selbst oder über seinen Verteidiger zu den Vorwürfen zu äußern. Höcke wird von einem Rechtsanwalt aus Erfurt verteidigt. Dieser sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass spontan entschieden werde, ob er oder sein Mandant sich zu den Vorwürfen äußern werden.

Vor dem Beginn des Prozesses gegen Höcke haben sich am Donnerstag zahlreiche Gegner des Politikers vor dem Gerichtsgebäude in Halle versammelt. Die Polizei sprach von rund 570 Personen. Unter anderem die Gruppen „Halle gegen Rechts“ und die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ hatten zu Versammlungen aufgerufen.

Die Verhandlung findet im Sicherheitstrakt des Justizzentrums in Halle statt. Um einen störungsfreien Ablauf der Hauptverhandlung zu gewährleisten, hat das Gericht unter anderem Einlasskontrollen angeordnet.

Was für Höcke auf dem Spiel steht

Höcke will in Thüringen Ministerpräsident werden. Er gilt als chancenlos, weil keine der bisher im Landtag vertretenen Parteien mit der AfD koalieren will. Im ostthüringischen Landkreis Greiz will er sich um ein Direktmandat bewerben. Im Thüringer Wahlgesetz steht, nicht wählbar sei, wer vom Wahlrecht ausgeschlossen ist oder „infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt“.

Theoretisch könnte das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen tatsächlich entscheiden, dass Höcke sein aktives und auch sein passives Wahlrecht vorübergehend verliert. Voraussetzung ist aber, dass Höcke zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird.

Darüber hinaus steht im Parteiengesetz: „Personen, die infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder das Wahlrecht nicht besitzen, können nicht Mitglieder einer Partei sein.“ Bisher ist völlig offen, ob es überhaupt zu einer Verurteilung kommt.

Weiterer Prozess in Thüringen

Höcke wird sich nicht nur in Halle einem Prozess stellen müssen. Auch am Landgericht Mühlhausen (Thüringen) wurde eine Anklage zugelassen. Dort geht es um den Vorwurf der Volksverhetzung. Ermittlungen gab es gegen Höcke schon häufiger. In Halle muss er sich nun aber erstmals vor Gericht verantworten.

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