LINDNER BLOCKIERT üBERRASCHEND DAS RENTENPAKET – UND WIDERSETZT SICH OLAF SCHOLZ

Berlin . Das Rentenpaket II sollte ursprünglich an diesem Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden. Doch FDP-Chef Lindner soll den Kabinettsbeschluss verhindert haben – ein Affront des Finanzministers vor allem für die SPD und Bundeskanzler Scholz. Hintergrund: Der knallharte Streit in der Ampel über den Bundeshaushalt 2025.

Der Uneinigkeit über den Bundeshaushalt 2025 droht nun das erste wichtige Ampelprojekt zum Opfer zu fallen: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat am Montagnachmittag überraschend verhindert, dass das Rentenpaket II wie ursprünglich geplant an diesem Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden kann. Das erfuhr unsere Redaktion aus Regierungskreisen. Lindners Blockade ist vor allem ein Affront gegen die SPD und Bundeskanzler Olaf Scholz, der das Rentenpaket unbedingt durchboxen will.

Dabei hatte Lindner selbst das Rentenpaket Anfang März zusammen mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgestellt. Der Hintergrund der Blockade dürfte sein, dass Lindner die Koalitionspartner auf seine strikte Sparlinie beim Bundeshaushalt 2025 zwingen will, in dem die Koalition ein Loch von bis zu 30 Milliarden Euro stopfen muss. Wann das Kabinett sich mit dem Rentenpaket befassen wird, ist nun offen – ebenso wie die Frage, ob sich die Koalition auf einen gemeinsamen Haushalt einigen kann.

Lindner hatte die Ministerien aufgefordert, ihre Ausgabenpläne für 2025 bis 2. Mai anzumelden. Der FDP-Chef will im kommenden Jahr mit dem Bundeshaushalt die Schuldenbremse wieder einhalten und hatte den Ressortkollegen daher strenge Ausgabenlimits vorgegeben. Vor allem fünf von ihnen haben nach Lindners Worten die Vorgaben jedoch ignoriert und erheblich überzogen. Dies betrifft etwa das Außen- und das Entwicklungsministerium, die jeweils gut zwei Milliarden Euro mehr angemeldet haben als sie sollten. Insgesamt dürften sämtliche Pläne für Mehrausgaben die Vorgabe Lindners um einen zweistelligen Milliardenbetrag übersteigen.

Die Fraktionen von SPD und Grüne dringen angesichts dessen auf mehr neue Schulden – am liebsten durch das erneute Aussetzen der Schuldenbremse. Lindner sieht dafür aber keinen Anlass. In einem Spitzengespräch wollten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und FDP-Chef Lindner am Dienstag beraten, wie sie mit den überzogenen Ausgabenwünschen umgehen. Die Dreier-Runde sollte sich auch mit wichtigen Ampel-Projekten wie dem Rentenpaket und der Wirtschaftswende befassen – einem Plan zur Ankurbelung des Wachstums.

Mit dem Rentenpaket will die Koalition das Rentenniveau auch für künftige Rentner bis 2039 auf 48 Prozent des Durchschnittslohns festschreiben. Bislang gilt dies nur bis Ende 2025. Es ist ein Herzensanliegen vor allem der SPD, aber auch der Grünen, dem der FDP-Chef im Koalitionsvertrag zugestimmt hatte. Im Gegenzug erhielt er die Unterstützung von SPD und Grünen beim so genannten Generationenkapital, dem zweiten Teil des Rentenpakets. Dabei geht es um den Aufbau einer kapitalgedeckten Säule der Rentenversicherung. Vor allem an der Garantie des Rentenniveaus für weitere 14 Jahre entzündet sich wegen stark steigender Kosten für Beitrags- und Steuerzahler die Kritik der Opposition, der Wirtschaftsverbände und von vielen Ökonomen.

Lindner hatte die überzogenen Ausgabenwünsche insbesondere von fünf Ministerien kritisiert, ohne diese zu benennen. „Es gibt aber einzelne Ressorts, die exorbitante Wunschzettel eingereicht haben – Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen gewissermaßen. Das ist so nicht akzeptabel“, sagte der FDP-Vorsitzende. Er verwies auf solche Ministerien, die Gelder im Ausland einsetzten. „Unsere Wirtschaftskraft reicht jedenfalls nicht aus, um die Wunschzettel einzelner Ressorts für Engagements im Ausland vollständig abzuarbeiten.“ Zurzeit liege der Fokus auf der Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine. Er deutete damit seine Unterstützung für höhere Verteidigungsausgaben an. Minister Boris Pistorius (SPD) hatte auf die Erhöhung seines Etats im kommenden Jahr um 6,5 Milliarden Euro gepocht, damit Deutschland auch 2025 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgebe und damit die entsprechende Nato-Quote erfülle.

Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch warnte die Koalitionspartner, das geplante Rentenpaket II wegen der Haushaltsprobleme zu verzögern. „Wir verhindern mit dem Rentenpaket das Absinken des Rentenniveaus, um Altersarmut zu verhindern. Vor allem schützen wir Frauen vor bitterer Armut im Alter. Die Würde von Menschen im Alter werden wir nicht gegen andere Vorhaben ausspielen“, sagte Audretsch. Er bekräftigte die Forderung der Grünen, die Schuldenbremse zu reformieren. „Wir müssen in großem Stil investieren, um unseren Wohlstand zu erhalten. In die Bahn, in Brücken, Krankenhäuser und Schulen und ebenso in Zukunftstechnologien wie Batteriezellfertigung oder klimaneutrale Produktion in der Industrie. Alle wissen, dass wir die Schuldenbremse reformieren müssen, um Deutschland fit für die Zukunft zu machen. Zeit, dass sich alle dieser Realität stellen“, sagte Audretsch.

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