BEMERKENSWERTE KEHRTWENDE - SCHWEDENS KNALLHARTE ASYLPOLITIK: „DER KNACKPUNKT WAR DIE INTEGRATION“

Während das Thema Migration in Deutschland weiterhin hitzig diskutiert wird, hat Schweden seit 2016 einen drastischen Kurswechsel vollzogen. Einst als Vorbild für humane Asylpolitik bekannt, setzt das Land nun auf strenge Maßnahmen und harte Regeln. Was steckt hinter dem radikalen Wandel?

Zwischen Ampelregierung und Opposition knirscht es weiterhin heftig beim Thema Migration: In der vergangenen Woche scheiterte zunächst das Treffen der Ampel mit Vertretern von CDU und CSU im Innenministerium, dann dominierte das Thema die Generaldebatte über die Regierungspolitik und schließlich startete das Plenum mit den ersten Lesungen zum „Sicherheitspaket“.

Nach dem Messeranschlag von Solingen beschlossen, soll dieser Maßnahmenkatalog Islamismus bekämpfen und irreguläre Migration eindämmen – stößt allerdings bereits auf scharfe Kritik seitens der Union. Der Opposition gehen die Pläne nicht weit genug.

„Wir müssen etwas tun, um die irreguläre Migration zu stoppen“, mahnte beispielsweise Torsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag. „Das geht nur mit Zurückweisungen an den Grenzen“.

Während hierzulande über die Härte der Maßnahmen weiterhin heftig debattiert wird, fahren andere europäische Länder schon lange einen ganz anderen Kurs in der Asyl- und Migrationspolitik. Seit 2016 herrscht beispielsweise in Schweden das Motto: restriktiv und unnachgiebig.

Schweden: Vom humanitären Vorbild zum harten Kurswechsel

Das ist bemerkenswert -  galt das Land doch einst als humanitäre Supermacht Europas. Schweden nahm im Jahr 2015, auf dem Höhepunkt der Migrationskrise so viele Geflüchtete pro Kopf auf wie kaum ein anderes Land in Europa.

Bis 2016 verfolgte der skandinavische Staat eine der liberalsten Asylpolitiken in Europa. Schweden war das Land, in dem Migranten die besten Bleibechancen hatten.

Heute jedoch sieht das ganz anders aus: Die regierende konservative Minderheitsregierung, unterstützt von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten, hat das Asylrecht verschärft und sich zunehmend einem restriktiven Modell, ähnlich dem Dänemarks, angenähert.

Aber woher kam dieser plötzliche Kurswechsel? „Das Jahr 2016 stellt eine Zäsur dar“, erklärte Gabriele Baumann, Leiterin des KAS Regionalprogramms Nordische Länder, Anfang des Jahres in einem Interview mit der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS).

„Der Knackpunkt war die Integration“

„In den Jahren 2015 und 2016 erfolgte eine sehr hohe Fluchtzuwanderung nach Schweden. 160.000 Asylbegehrende kamen in nur einem Jahr. Für ein Land wie Schweden, das nur circa zehn Millionen Einwohner hat, ist das sehr viel.“

Schweden musste damals feststellen, das es mit der Zuwanderung in einer solchen Größenordnung überfordert war, so Baumann.

Weiter sagte sie der KAS: „Der Knackpunkt hinsichtlich des Politikwechsels war insbesondere die Integration. Denn es wurde offensichtlich, dass die Integration in den Arbeitsmarkt nicht gut gelang und dass dies den Wohlfahrtsstaat belastet.“

Außerdem sei die Gangkriminalität mit steigenden Opferzahlen immer präsenter geworden „und es wurde deutlich, dass es sich zu einem ernst zu nehmenden Problem migrantischer Milieus entwickelt hatte“. Viele Bürger hätten die bisherige, liberale Politik für die Missstände verantwortlich gemacht.

Rechtskonservative Politik setzt auf strenge Maßnahmen

So kam es, dass die damals sozialdemokratische Regierung das Asylrecht erstmals verschärfte. Wie unter anderem die „Welt“ berichtet , wurde beispielsweise der Familiennachzug deutlich erschwert. Erst als Übergangsgesetz, dann als reguläres.

Eine Notbremse, die die Koalition der damaligen Regierungschefin Magdalena Andersson trotz allem nicht im Amt halten konnte. Die Diskussionen über steigende Kriminalität und die Überlastung des Sozialstaats wurden vor allem von den rechten Schwedendemokraten geprägt.

Die stiegen 2022 zur zweitstärksten Kraft auf. Seitdem wird das Land von einem rechtskonservativen Bündnis aus Moderaten, Christdemokraten und Liberalen regiert. Wie Baumann im Gespräch mit der KAS erklärte, hat sich die Zuwanderungs- und Asylpolitik seitdem weiter verschärft.

So sei beispielsweise ein Gesetz in Kraft getreten, dass einen Mindestverdienst für diejenigen Migranten fordert, die auf regulärem Wege und zu Erwerbszwecken nach Schweden einreisen wollen.

„Hier geht es darum, negative fiskalische Effekte für den Wohlfahrtsstaat, die durch ein niedriges Einkommen von Arbeitsmigranten entstehen, zu vermeiden“, so die Expertin.

Ausreisezentren und Abschiebungen nach Syrien

Zur Zeit des Interviews - also im Januar 2024 - befand sich außerdem ein Gesetz, das den Familiennachzug weiter einschränken soll, in der Entwurfsphase.

„Der Kreis derjenigen, die zur Familie gezählt werden, soll enger gefasst werden und der bereits in Schweden befindliche Schutzberechtigte muss die finanzielle Verantwortung für den Zuziehenden übernehmen sowie bereits eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung besitzen“, sagte Baumann damals.

Der härtere Kurs zeigt offenbar Wirkung: „Schweden hat aufgehört, ein Asyleinwanderungsland zu sein“, verkündete die schwedische Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard vor wenigen Wochen.

Laut ZDF gab es im vergangenen Jahr noch 12.644 Asylanträge­ – ein drastischer Unterschied zu den mehr als 160.000 Menschen, die im Jahr 2016 nach Schweden kamen.

Ein Vorbild für Deutschland?

Die Asylpolitik Schwedens und Dänemarks kommt auch bei vielen Politikern in Deutschland gut an. Friedrich Merz lobte bereits häufig die „konsequente Flüchtlingspolitik“ der nordischen Länder.

Klar ist aber: Nicht alles, was in anderen EU-Ländern möglich ist, gilt auch für Deutschland. So kann Schweden durch seine Lage hoch im Norden seine Grenzen vergleichsweise einfach sichern, das Land hat lediglich eine EU-Binnengrenze zu Finnland.

Und auch für Schweden gestalten sich Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan schwer, laut ZDF-Informationen sind 2023 nur fünf straffällige Afghanen abgeschoben worden, in diesem Jahr bisher kein einziger.

Das schwedische Modell: „Bis an die Grenzen des Zulässigen“

Außerdem wirft die schwedische Praxis auch ethische und rechtliche Bedenken auf: „Schweden schreckt nicht davor zurück, bis an die Grenzen des rechtlich Zulässigen zu gehen, um ein klares Abschreckungssignal zu senden“, sagt Bernd Parusel, Migrationswissenschaftler am Swedish Institute for European Policy Studies (SIEPS) in Stockholm, im „Stern“. Schweden wolle „alles abschaffen, was nicht vom internationalen und europäischen Recht zwingend vorgeschrieben ist.“

Die strengen Gesetze haben laut Parusel also auch Schattenseiten, insbesondere in Bezug auf die Integration von Geflüchteten im Land: „Wenn man nur befristet Schutz gewährt und Flüchtlinge damit in Unsicherheit lässt und vielleicht auch noch den Familiennachzug erschwert, dann kann sich das negativ auf die Integration auswirken, die man ja eigentlich verbessern will“. 

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