AFD HAT KEIN RECHT AUF AUSSCHUSSVORSITZ: DER EIGENTLICHE SKANDAL IST, DASS DER BUNDESTAG NICHT HANDELT

Karlsruhe hat entschieden: Die AfD hat nicht automatisch ein Recht auf Ausschussvorsitze im Bundestag. Ein großes Problem aber bleibt.

Nun ist es also endlich geklärt: Die AfD war im Bundestag nicht jahrelang Opfer einer missgünstigen Mehrheit. Sie hat einfach kein Recht auf einen Ausschussvorsitz. So sehen es nicht nur die übrigen Fraktionen, so urteilten am Mittwoch auch die Hüter der Verfassung.

Karlsruhe entschied: Die Abwahl Stephan Brandners im Rechtsausschuss war so legal wie legitim. Außerdem dürfen sich Abgeordnete weigern, einen bestimmten Kandidaten zu wählen, sonst – eigentlich eine Binse – wäre es ja keine freie Wahl.

Diese Entscheidung kontert ein beliebtes AfD-Narrativ, wonach die übrigen Parteien gegenüber den Rechtspopulisten undemokratisch handelten.

Erwartbar: Selbst eine solche Niederlage definiert die AfD um. Ausgerechnet Brandner spricht anschließend weiter von Willkür – ein Vorwurf, den das Gericht explizit geprüft und verworfen hat. Gleichzeitig bedauert der AfD-Mann einen angeblichen Bruch mit parlamentarischen Traditionen.

Dabei hatte der Abgeordnete selbst parlamentarische Gepflogenheiten ignoriert. Wer Ausschusssitzungen leiten will, muss gemäßigt und vermittelnd auftreten, muss den Ausschuss auch nach außen parteiübergreifend repräsentieren. Wie im Plenum kommt es auf einen Ton an, der der Würde des Hauses entsprechen soll.

Brandner hatte das missachtet. Konkret hatte er unter anderem nach dem Terroranschlag von Halle einen Tweet geteilt, in dem formuliert wurde, dass Politiker vor Synagogen lungerten – offensichtliche Kritik an Solidarität mit Juden in Deutschland und Solidaritätsbekundungen vor Synagogen.

Wer Stefan Brandner erlebt, darf zudem ernste Zweifel daran haben, dass dieser Parlamentarier ein gutes Beispiel für Mäßigung und Moderation sein kann. Die Ausschussmitglieder jedenfalls argumentierten, dass der AfD-Abgeordnete seinen Posten für rechte Hetze und Parteipolitik missbraucht habe. Da hilft es auch nichts, dass das Auswahlverfahren lange nach anderen Spielregeln ablief.

Tradition alleine entscheidet nicht

Ja, es war jahrzehntelange Tradition, die Ausschussvorsitzenden vorab im Ältestenrat zu bestimmen. Erhob sich kein Widerspruch im jeweiligen Ausschuss, galt ein Kandidat als gewählt. Alternativ griff das Zugriffsverfahren – der Reihe nach wählen hier die Fraktionen ihrer Stärke entsprechend Vorsitze. Damit nimmt das Verfahren die erste Hürde.

An der zweiten Hürde scheitert die AfD. Fällt der Kandidat bei den Ausschussmitgliedern durch, wird er kein Vorsitzender und das sei grundsätzlich in Ordnung, sagt das Bundesverfassungsgericht.

Ein großes Problem aber bleibt. Das bisherige Verfahren fußt auf einem Minimalkonsens, auf einem Mindestmaß an Einigkeit über parlamentarische Spielregeln. Doch wenn sich ein Spieler weigert, sich an solche ungeschriebenen Regeln zu halten, braucht es eben ausbuchstabierte.

Ja, Ausschüsse sollen die Kräfteverhältnisse im Parlament widerspiegeln. Aber: Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gilt, so sieht es auch das Verfassungsgericht, nicht für den Ausschussvorsitz. Insofern sind keine Minderheitenrechte verletzt, wenn eine Fraktion keinen Ausschuss leitet. Der Ausschuss selbst wäre ja immer noch spiegelbildlich zusammengesetzt. Gleichzeitig ist es weiterhin möglich, die Opposition bei der Postenverteilung zu beteiligen – solange sich die jeweiligen Vorsitzenden an bestimmte Grundsätze halten.

Der Skandal ist daher nicht, dass die AfD anders behandelt wird, sondern dass sich das Parlament weigert, das Haus wetterfest zu machen und Spielregeln – in diesem Fall die Mehrheitswahl – selbstbewusst zu benennen. Der Sturm weht unerbittlich. Es hilft nichts, die Augen zu verschließen und zu warten, dass sich irgendwie alles von selbst fügt.

Es kann kein Dauerzustand sein, dass dauerhaft stellvertretende Vorsitzende wichtige Ausschüsse leiten, weil ein AfD-Kandidat nicht gewählt, aber bislang auch kein anderes Verfahren etabliert wurde.

Der Bundestag sollte sich Entscheidungen nicht aus der Hand nehmen lassen. Statt auf Schiedsrichter wie das Bundesverfassungsgericht zu setzen, sollte er sein Recht auf Selbstorganisation selbstbewusst wahrnehmen und seine Geschäftsordnung anpassen.

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