NACH BRAND IN GöRLITZ: UKRAINISCHE FLüCHTLINGE FüRCHTEN SICH VOR FEUERTEUFEL

In einem Wohnhaus an der Rauschwalder Straße brannte es vor zwei Wochen - nicht zum ersten Mal, erzählen zwei ukrainische Bewohnerinnen. Für sie gibt es eine Lösung.

Es bleibt still in der Rauschwalder Straße 14. Vielleicht funktioniert die Klingelanlage nicht mehr, oder niemand ist da. Wie es den Bewohnern nach dem Brand vor zwei Wochen wohl geht? Nicht so gut, sagen Nataliia Sukhovei und Anna Tseve für sich. Sie wohnten bislang im dritten Stock und gehören zu den Bewohnern, die bei dem Feuer mit Drehleiter gerettet werden mussten.

Verletzt wurden sie zwar zum Glück nicht, aber sie fühlen sich einfach nicht mehr sicher - mehrfach habe es in dem Haus schon gebrannt. Sie sind inzwischen ausgezogen.

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Am 22. April gegen 8.40 Uhr war der Alarm bei den Rettungskräften eingegangen, starker Rauch drang aus einem Kellerfenster der Rauschwalder Straße 14. Als die Feuerwehren eintrafen, hatte die Rauchentwicklung das gesamte Treppenhaus verqualmt. „Wir saßen gerade am Frühstückstisch“, erzählt Nataliia Sukhovei. Die Frauen stammen aus der Ukraine und flohen im März 2022 aus ihrer Heimat. Fast genau zwei Jahre bewohnten sie gemeinsam eine Wohnung in dem Haus in der Rauschwalder Straße.

Frühstück endet mit Feueralarm

Am Montagmorgen vor zwei Wochen hörten sie plötzlich einen Rauchmelder piepen, liefen zur Wohnungstür - und standen im Rauch. Die Tür schlossen sie zwar rasch wieder, aber der Qualm war schneller. „Wir konnten nicht mehr gut atmen, mussten viel husten“, erzählt Anna Tseve. Sehr große Angst überkam die Frauen, 60 und 67 Jahre alt. Wie andere Bewohner öffneten sie die Fenster. Zum Glück sei die Feuerwehr unheimlich schnell da gewesen. Den Kameraden und der Polizei seien sie sehr dankbar.

Weil die Mieter nicht mehr über das Treppenhaus ins Freie gelangen konnten, evakuierte die Feuerwehr insgesamt drei Bewohner über die Drehleiter. Besonders für Nataliia Sukhovei eine große Herausforderung: Sie ist auf Gehhilfen angewiesen. Wegen Verdachts auf Rauchgasvergiftung kamen beide Frauen ins Krankenhaus, das sie nach einem Tag wieder verlassen konnten. Erlebnisse, die man fast als Déja-vu bezeichnen kann.

Hausbewohner von drei Vorfällen betroffen

Im Februar vorigen Jahres gab es in der Innenstadt West mehrere Wohnhausbrände. Zunächst war damals in einem Wohnhaus am Brautwiesenplatz ein Feuer ausgebrochen. Wenige Tage später fast das gleiche Szenario in der Rauschwalder Straße 14: Eine Abstellkammer mit Unrat war in Brand geraten, 13 Personen mussten evakuiert werden – teils auch über die Drehleiter. Ein Mann erlitt damals Schnittverletzungen an der Hand. Die Polizei ermittelte wegen schwerer Brandstiftung. Schon damals waren schwere Sachschäden entstanden, „wir hatten ungefähr ein halbes Jahr lang keine Heizung“, erinnert sich Nataliia Sukhovei. Ende April 2023 meldete die Polizei: Unbekannte hatten einen Einkaufswagen mit brennendem Papier in den Flur eines Hauses an der Rauschwalder Straße geschoben. Bewohner merkten es zum Glück schnell und löschten selbst. Die Feuerwehr bestätigt, auch in diesem Fall war die Nummer 14 betroffen.

Nun also der dritte Fall. Der Sachschaden sei sehr hoch, erzählt der Chef des Immobilienbüros, das die Rauschwalder Straße 14 verwaltet. Zum Glück aber sei niemandem ernstlich etwas passiert, „das ist das Wichtigste“. Die Wohnungen selbst seien im Großen und Ganzen nicht sehr verraucht, dafür seien im Keller die Schäden um so höher: Bekannt ist, dass das Feuer im Keller ausbrach, Unrat in Brand setzte. Die Zähler seien kaputt, Wasser- und Abwasserleitungen geschmolzen, „im Grunde sind die ganzen Medien betroffen.“ Ein Notstromzähler wurde jetzt als erstes installiert. Derzeit werden für die zahlreichen weiteren Arbeiten Kostenangebot eingeholt. „Es ist extrem viel Arbeit“, und freilich auch für die Mieter eine Herausforderung. Das jetzige Immobilienbüro übernahm die Verwaltung erst voriges Jahr, nach dem ersten Brand, von dem die jetzigen Verwalter aber freilich Kenntnis haben. „Die Besitzer des Gebäudes sind inzwischen auch ziemlich verzweifelt.“

Polizei führt Ermittlungen fort

Die Ermittlungen der Polizei laufen noch. „Ein Brandursachenermittler war im Zusammenhang mit dem aktuellen Brand im Einsatz“, teilt Polizeisprecher Kai Siebenäuger mit. Ansonsten hält sich die Polizei zu dem Fall bedeckt, aus ermittlungstaktischen Gründen.

So ist noch offen, ob ein Brandstifter am Werk war, es einen technischen Defekt gab oder Unachtsamkeit. Nataliia Sukhovei und Anna Tseve jedenfalls fühlen sich nicht mehr sicher. „Für sie sind solche Vorfälle natürlich noch mal eine besondere psychische Belastung, sagt Joachim Trauboth mit Blick auf die Geschichte der beiden Frauen, die aus Ternopil und Schostka - eine Stadt, die seit 2022 mehrfach angegriffen wurde - stammen. „Sie konnten nach dem jüngsten Brand kaum noch schlafen.“ Trauboth ist der Integrationsbeauftragte der SPD in Görlitz und kümmert sich seit Beginn des Angriffskrieges Russlands um viele nach Görlitz geflüchtete Ukrainer. Auf Nataliia Sukhovei und Anna Tseve wurde er durch einen SZ-Beitrag zu dem Brand aufmerksam, und fragte via Facebook nach, ob er helfen könne.

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Die beiden Frauen sind inzwischen vielen Menschen sehr dankbar. Mitglieder der Evangelisch-Reformierten Gemeinde unter Pastor Matthias Pommeranz boten ihnen eine Zwischenunterkunft an, ein Fahrradgeschäft holte mit einem Transporter die Sachen der beiden aus der Wohnung in der Rauschwalder Straße. „Wir haben Menschen mit wirklich großen Herzen gefunden“, sagt Anna Tseve. Und Joachim Trauboth hat eine neue Wohnung gefunden. Einfach umziehen, für die beiden Ukrainerinnen ist das nicht so leicht möglich, sondern braucht die Zustimmung verschiedener Ämter. „Ich bin aber optimistisch“, sagt Trauboth. „Ich habe mit den meisten Ämtern in Görlitz bisher nur gute Erfahrungen gemacht.“ An diesem Montag soll Umzug sein.

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