BISTUM TRIER: MISSBRAUCHSFALL EDMUND DILLINGER – KOMMISSION SPRICHT VON »BEWUSSTER VERTUSCHUNG«

Frühere Top-Staatsanwälte haben ihren Abschlussbericht zu den Missbrauchstaten des Priesters Edmund Dillinger vorgelegt. Auf 96 Seiten zeigen sie auf, wie die katholische Kirche in diesem Fall weggeschaut hat.

Verantwortliche der katholischen Kirche im Bistum Trier haben einer Untersuchung zufolge über viele Jahre hinweg sexuellen Missbrauch des Ende 2022 gestorbenen Priesters Edmund Dillinger vertuscht. »Es ist kaum zu begreifen, dass eine Persönlichkeit wie Dillinger über Jahrzehnte im Dienst der Kirche verbleiben konnte – trotz allen Wissens über seine Übergriffigkeiten und Missbrauchstaten«, teilte die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier (UAK) mit.

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Die Kommission stellte ihren vorläufigen Abschlussbericht zur Causa Dillinger vor. »Die Tatenlosigkeit und das Wegschauen von kirchlichen Verantwortlichen – was nur als bewusste Vertuschung gewertet werden kann – diente zuvörderst dem Schutz des guten Namens der Kirche und des Bistums«, hieß es. Alle Hinweise auf die Taten Dillingers seien weitgehend ignoriert worden.

Zwei frühere Top-Staatsanwälte kamen nach einjähriger Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Dillinger aus Friedrichsthal im Saarland 19 Opfer zwischen 1961 und 2018 sexuell missbraucht hatte. Elf Betroffene seien namentlich bekannt, teilten der ehemalige Koblenzer Generalstaatsanwalt, Jürgen Brauer, und der frühere Vizechef der Staatsanwaltschaft Trier, Ingo Hromada, mit.

Zudem seien »sehr viele, nach ihrer Anzahl aber nicht annähernd zu beziffernde Personen von sexuell motiviertem Verhalten« Dillingers betroffen gewesen: Sie wurden in »sexualisierten Posen« fotografiert, waren Berührungen in allen Körperregion ausgesetzt und mussten Annäherungsversuche abwehren, steht im Bericht. Meist handelte es sich demnach um männliche Jugendliche.

Die Kommission kommt zu dem Schluss, »dass Dillinger über Jahrzehnte das Gegenteil dessen vorlebte, was er in seinen Predigten, Vorträgen und Veröffentlichungen als ethisch, moralisch und gottgewolltes vorbildliches Leben eines guten Christen und Menschen zeichnete«. Der Fall war nach Dillingers Tod öffentlich geworden, als der Neffe des Geistlichen in dessen Wohnung zig Aufnahmen von spärlich bekleideten Jugendlichen fand (Lesen Sie hier mehr dazu).

Die Studie bringe »größere Klarheit, vor allem für die Betroffenen, aber auch für das Bistum in Bezug auf das Agieren und die Taten von Edmund Dillinger und die Fehler und Versäumnisse der Verantwortlichen des Bistums«, teilte das Bistum mit. »Es wird offenkundig, dass ein Priester der Trierer Kirche Kinder und Jugendliche missbraucht hat, und dass dies auch möglich war, weil Verantwortliche früherer Zeiten es unterlassen haben, zu handeln oder unangemessen reagiert haben.« Die Ergebnisse zu dem Fall bestätigten, »wie notwendig es sei, immer wieder zu überprüfen, welche Hinweise sich aus den Aufarbeitungsprozessen für das künftige Handeln ergeben«.

Bitten um Auskunft und Unterstützung »völlig ignoriert«

Da es noch offene Fragen vor allem mit Blick auf weitere Opfer in afrikanischen Ländern gebe, sei die Tätigkeit der Ermittler um ein Jahr verlängert worden, teilte die Kommission mit. Der Geistliche war von 1972 bis 2005 Vorsitzender der von ihm gegründeten CV-Afrika-Hilfe – und laut dem Bericht oft auf dem Kontinent.

Die Juristen teilten mit, es sei »enttäuschend«, dass verschiedene Stellen, darunter das Auswärtige Amt, Bitten um Auskunft und Unterstützung in dem Fall »völlig ignoriert« hätten. »Große Verärgerung« gebe es auch darüber, dass die saarländischen Ermittlungsbehörden fast alle Beweismittel vernichtet hätten, bevor man sie habe einsehen können.

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