WOHNUNGSMARKT: 2023 SIND NUR KNAPP 33.000 NEUE SOZIALWOHNUNGEN ENTSTANDEN

Die Ampelregierung will jährlich 100.000 neue Sozialwohnungen bauen – von diesem Ziel ist sie weit entfernt. Eine Umfrage unter den Bundesländern zeigt aber auch positive Entwicklungen.

Im sozialen Wohnungsbau deutet sich trotz milliardenschwerer öffentlicher Förderung nur eine langsame Trendwende an. 2023 wurden knapp 33.000 Sozialwohnungen in Deutschland geschaffen. Das zeigt eine Umfrage des Handelsblatts unter den Bundesländern.

Das sind zwar rund 8200 mehr Sozialwohnungen als im Jahr zuvor, die die Ampelregierung bleibt jedoch damit weit von ihrem Ziel entfernt, jährlich 100.000 neue Einheiten zu schaffen.

Der Umfrage zufolge gibt es aktuell rund 1.072.000 Sozialwohnungen in Deutschland. Die meisten geförderten Wohnungen existieren mit 434.000 Einheiten in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Bayern mit knapp 135.000 und Berlin mit 91.000 Einheiten. Zwischen 2016 und 2022 sind nach Zahlen des Statistikdienstleisters Statista bundesweit jährlich durchschnittlich 24.780 Sozialwohnungen neu geschaffen worden.

Darunter fallen der Neubau und die Modernisierung von Sozialwohnungen, aber auch der Erwerb von Wohnungen, die in Sozialwohnungen umgewandelt werden. Selbst die Förderung von selbst genutztem Wohneigentum gehört dazu.

Mehr als eine Million Sozialwohnungen

Außerdem wird neuerdings auch Wohnraum für Studierende und Auszubildende gefördert. Im vergangenen Jahr stellte der Bund dafür im Programm „Junges Wohnen“ den Ländern erstmalig 500 Millionen Euro bereit.

Eingeführt wurde der soziale Wohnungsbau 1950, um einkommensschwächeren Haushalten eine preiswerte Mietwohnung anbieten zu können. Für die Förderung von sozialem Wohnraum sind in Deutschland grundsätzlich die Bundesländer zuständig. Sie prüfen Anträge, sprechen Förderzusagen aus und übernehmen die Auszahlung.

In der Regel wird die Förderung von den landeseigenen Förderbanken abgewickelt. Die Länder legen auch die Mietobergrenzen fest und die Voraussetzungen für eine Bewerbung. Wer sie erfüllt, bekommt einen Wohnberechtigungsschein (WBS).

Der Bund ist verfassungsrechtlich eigentlich nicht zur Gewährung von Hilfen beim Wohnungsbau befugt. 2019 wurde jedoch im Grundgesetz verankert, dass er den Ländern zweckgebundene Finanzhilfen gewähren kann.

Mehr als 910.000 Sozialwohnungen fehlen

Und das geschieht zunehmend. Hat der Bund die Länder in den Jahren 2020 und 2021 mit jeweils einer Milliarde Euro unterstützt, pumpt er laut aktueller Finanzplanung im Zeitraum 2022 bis 2027 insgesamt 18,15 Milliarden Euro in das Segment. Diese Summe wird durch die Länder kofinanziert – und zwar derzeit mit mindestens 30 Prozent der in Anspruch genommenen Bundesmittel.

Nach eigenen Angaben haben die Länder im vergangenen Jahr rund vier Milliarden Euro in die Wohnraumförderung investiert. Ziel ist es, den Trend zu stoppen und wieder einen Anstieg bei den Sozialwohnungen zu erreichen.

Das Immobilienberatungsunternehmen Colliers rechnet vor, dass der Bestand nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 rund 2,9 Millionen Sozialwohnungen umfasste, also fast zwei Millionen mehr als heute. Die Ampelregierung will gegensteuern, doch hohe Baukosten und schlechte Finanzierungsbedingungen bremsen.

Wir haben einfach die letzten zwei Jahrzehnte viel zu wenig Geld in Sozialwohnungen investiert. Das rächt sich jetzt.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sagte jüngst im Interview mit der „Tagesschau“: „Wir haben einfach die letzten zwei Jahrzehnte viel zu wenig Geld in Sozialwohnungen investiert. Das rächt sich jetzt.“ Es brauche eine gewisse Zeit, bis die aktuelle Förderung „in einer fertigen Wohnung endet“.

Nach Berechnungen der Wohnungsbauexperten des Pestel-Instituts fehlen bundesweit aktuell mehr als 910.000 Sozialwohnungen. Während einige Bundesländer wie Hamburg schon relativ nah am berechneten Sollbestand sind, zeigt sich demnach vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Niedersachsen akuter Handlungsbedarf.

Grund dafür ist nicht allein der geringe Neubau von Sozialwohnungen. Aufgrund auslaufender Preisbindungen gehen zudem jährlich Tausende von Sozialwohnungen in den freien Markt über, das heißt, Vermieter können die ortsüblichen Mieten verlangen. Die Preisbindung beläuft sich meist auf zwölf bis 20 Jahre, manchmal auch länger. Unterschiede gibt es sogar innerhalb eines Bundeslandes, etwa aufgrund verschiedener Förderprogramme. Die Mietobergrenzen bewegen sich aktuell bei rund sieben Euro pro Quadratmeter kalt.

Auch 2023, das zeigt die Handelsblatt-Länderumfrage, fielen rund 36.000 Wohnungen aus der zeitlich begrenzten Sozialbindung heraus – und damit mehr als neue hinzukamen.

Das Beispiel NRW zeigt die Brisanz: Bis 2030 werden 42 Prozent des heutigen Bestands aus der Bindung gefallen sein. Bis 2035 werden 50 Prozent prognostiziert. Um diesem Rück­gang entgegenzuwirken, hat die Landesregierung die Mittel für die öffentliche Wohnraum­förderung nochmals erhöht. Bis 2027 stellt sie insgesamt neun Milliarden Euro zur Verfügung.

Gleiche Fördermittel, weniger Sozialwohnungen

Zugleich schlagen der anhaltende Krieg Russlands gegen die Ukraine, steigende Baupreise und steigende Zinsen auf den sozialen Wohnungsbau durch. So beklagt Brandenburg, dass mit nahezu gleichbleibenden Fördermitteln weniger Sozialwohnungen realisiert werden können. Schließlich lagen die Baupreise für den Neubau Mitte 2023 „nochmals um knapp 15 Prozent über denen von 2022“.

Allerdings gibt es starke regionale Unterschiede. So sind die Wohnungsmärkte in Ballungsräumen rund um Berlin, Hamburg oder Köln eher angespannt, während überwiegend ländlich geprägte Räume wie in Sachsen-Anhalt durch Bevölkerungsrückgänge, Wohnungsleerstand, preisgünstige Mieten und niedrige Immobilienpreise geprägt sind. Hier gebe es einen ausreichenden Versorgungsgrad an bezahlbarem Wohnraum, teilte das zuständige Ministerium mit.

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft (GdW) stellt war fest, dass bundesweit aktuell wieder etwas mehr Sozialwohnungen gebaut würden. Diese müssten jedoch massiv subventioniert werden, um die hohen Kosten auszugleichen. Der GdW hält es zudem für problematisch, dass für Normalverdiener Wohnungen inzwischen unerschwinglich geworden sind, vor allem im Neubau. Der Großteil der Menschen in Deutschland könne sich Mieten zwischen 17 und 20 Euro pro Quadratmeter nicht leisten, sagte Esser.

Forderungen nach einem „Zinsförderprogramm“

An einem „groß angelegten Zinsförderprogramm“ für bezahlbaren Wohnungsbau führt laut GdW-Präsident Axel Gedaschko in der aktuellen Krise kein Weg vorbei. Mit einer Zinsförderung in Höhe von jährlich mindestens zwei Milliarden Euro könnten dann fast 70.000 Wohnungen für Normalverdiener jährlich zusätzlich geschaffen werden. „Diese staatliche Unterstützung würde sich durch höhere Steuermehreinnahmen komplett selbst refinanzieren“, sagte Gedaschko dem Handelsblatt.

Investoren engagieren sich angesichts steigender Zinsen längst auch im geförderten Wohnen. So berichtet Niedersachsen, dass die Unternehmen der Wohnungswirtschaft die soziale Wohnraumförderung erstmals für ihre Vorhaben „entdecken“ oder nach längerer Zeit wiederentdecken. „Das war nicht immer so“, teilte das Bundesland mit. Jahrelang sei der Mittelabruf deutlich hinter den Ankündigungen der Wohnungswirtschaft zurückgeblieben.

Tatsächlich berichtet die Mehrheit der Länder zuletzt von steigenden Bewilligungen von Förderanträgen – andere dagegen planen, Beispiel Bremen, die Förderbedingungen zu verbessern, „um der nach wie vor schwierigen Marktlage gerecht zu werden“.

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