SPIONAGE: "CHINA WILL ZEIGEN: WIR KRIEGEN EUCH üBERALL"

Die Festnahme des mutmaßlichen China-Spions in einem AfD-Büro wirft Fragen auf. Was China mit solchen Zuträgern bezwecken könnte, erklärt Asien-Expertin Mareike Ohlberg.

Im Brüsseler Büro des AfD-Abgeordneten Maximilian Krah ist ein mutmaßlicher Spion Chinas enttarnt worden. Mareike Ohlberg, Asien-Expertin beim German Marshall Fund, erklärt, was China mit solchen Zuträgern bezweckt und welche Gefahren daraus erwachsen.

ZEIT ONLINE: Frau Ohlberg, innerhalb weniger Tage sind mehrere Spionageverdachtsfälle mit China-Bezug bekannt geworden: drei der Industriespionage Verdächtigte in Deutschland, ein Assistent des AfD-EU-Abgeordneten Krah, zwei parlamentarische Mitarbeiter in Großbritannien, dazu der Datenabfluss Richtung China bei Volkswagen zwischen 2010 und 2014. Ist es Zufall, dass jetzt so viel über China und Spionage öffentlich wird?

Mareike Ohlberg: Chinesische Spionage ist ja nicht völlig neu. Über die derzeitige Häufung kann ich nur spekulieren. Vermutlich kommen zwei Faktoren zusammen: dass Spionage tatsächlich zunimmt und dass jetzt stärker darauf geschaut wird. Dass also die deutschen Geheimdienste an einem Punkt angelangt sind, an dem sie sagen: Das reicht jetzt, wir erledigen das alles nicht mehr unauffällig mit dem chinesischen Gegenüber hinter verschlossenen Türen. Neu ist ja auch, dass deutsche Politiker sich inzwischen nicht mehr scheuen, vor einem stärker werdenden China zu warnen, oder dass der Verfassungsschutz vor Kontakten mit der sogenannten Internationalen Abteilung der in China herrschenden Kommunistischen Partei warnt. 

ZEIT ONLINE: Welche Daten sind denn interessant für chinesische Behörden? 

Ohlberg: Die chinesische Regierung will alles wissen, was China betreffen könnte. Sie sind außerdem interessiert an Daten der Industrie, des Handels, über Technik und an Informationen über Kritiker des chinesischen Staates.

ZEIT ONLINE: Aber was könnte China mit der Platzierung eines Spions im Büro eines EU-Parlamentariers erreichen wollen? 

Ohlberg: China ist an allen Informationen über Politik interessiert, die mit China zu tun hat: Wie wird über China gesprochen, wie kann sich das für China auswirken? China ist stark unzufrieden mit dem von der EU-Kommission angestrebten De-Risking in den Handelsbeziehungen, also dem Reduzieren von einseitigen Abhängigkeiten im Sinne der eigenen Sicherheit. Wenn man weiß, was hinter den Kulissen diskutiert wird, kann man versuchen, darauf Einfluss zu nehmen. Man kann dann auch versuchen, über Abgeordnete bestimmte Anliegen ins Parlament einzubringen. 

ZEIT ONLINE: Der festgenommene Jian G. soll auch in Deutschland lebende Chinesinnen und Chinesen, die die kommunistische Führung kritisch sehen, ausgespäht und an Chinas Sicherheitsdienste verraten haben. Da diese Kritiker ohnehin im Ausland leben: Warum sollte der chinesische Staat sie noch beobachten? 

Ohlberg: Die Kommunistische Partei will wissen, was die eigenen Kritiker im Ausland tun und sagen. Parteichef Xi Jinping will China-Kritik auch im Ausland unbedingt verhindern. Der Staat weiß zwar, dass er im Ausland nicht die gleiche Macht hat wie innerhalb Chinas. Aber er versucht, möglichst viel Einfluss zu bekommen. Dafür schüchtert er seine Kritiker ein: Indem der chinesische Auslandsdienst diese Kritiker stalkt, indem man ihnen Hassnachrichten schickt oder zum Beispiel ihre Telefonnummer als Porno-Hotline ins Netz stellt. Chinesische Behörden bestellen Familie und Freunde ein und bedrohen sie, damit die Kritiker im Ausland nicht mehr schlecht über China sprechen. China will zeigen: Wir kriegen euch überall. Es ist eine Machtdemonstration.

ZEIT ONLINE: Diese Art geheimdienstlicher Einflussoperationen wie Stalking oder Diffamierungen wären ja auch in Deutschland strafrechtlich verfolgbar … 

Ohlberg: Ja, aber bei solchen Taten ist es oft schwierig, die Verbindung zum chinesischen Staat nachzuweisen.

ZEIT ONLINE: Wäre ich ein westlicher Parlamentarier, worauf müsste ich achten, wenn jemand aus China an mich heranträte wegen einer Zusammenarbeit? Wie erkenne ich Spionage? Wie Manipulationsversuche? 

Ohlberg: Kennen sollten Sie die Internationale Abteilung der Kommunistischen Partei, sie kümmert sich um die Beziehungen der KP Chinas zu politischen Parteien im Ausland. Diese Abteilung tritt im Ausland teils über affiliierte Organisationen, wie etwa das ihr zugehörige China Economic Cooperation Center auf. Dann gibt es die Gesellschaft für Freundschaft mit dem Ausland, die ist zuständig etwa für Städtepartnerschaften. Erste Kontaktaufnahmen finden meistens über unverfänglich scheinende Kanäle statt, die auch von der Staatssicherheit mitgenutzt werden können.

ZEIT ONLINE: Der deutsche Verfassungsschutz warnt seit Jahren vor Spionage im Cyberraum. Im Falle Chinas geht es dabei vor allem um technische Komponenten des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei in der europäischen Telekommunikation. Heute kommen ans Internet angebundene Elektroautos aus China dazu, über die Bewegungsdaten und mehr abgefangen werden könnten. Wie sehr muss man sich da sorgen? 

Ohlberg: Ein Massenabfluss von Daten nach China würde auffallen. Aber selektive Abfragen von Daten sind sicher möglich. Wenn eine chinesische Netzwerkfirma eine Anfrage von der Staatssicherheit bekäme, kann sie sich dagegen nicht wehren. 

Der extreme Fall wäre, wenn es zu einem militärischen Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten mit China käme, möglicherweise unter Beteiligung der Nato, beispielsweise in der Taiwanstraße oder im Südchinesischen Meer. Dann wäre es sehr unglücklich, wenn das Militär eines Nato-Staates Digitaltechnik einer chinesischen Firma verbaut hätte. Es ist einfach nicht klug, wenn sich Staaten in zentralen Sektoren von einer chinesischen Firma wie Huawei abhängig machen.

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