NEUER STADTTEIL AUF STAATSKOSTEN? DIE MERKWüRDIGEN OLYMPIA-FINANZEN DES OLAF SCHOLZ

Während die Spiele in Paris beginnen, plant Deutschland eine neue Bewerbung um Olympia. Für 2040 gibt es eine Absichtserklärung. Dabei sind entscheidende Fragen zur Finanzierung noch nicht geklärt. Die Ursachen für den Streit ums Geld führen zum Bundeskanzler.

Das Dokument ist in einem fröhlichen Design gehalten. Unter dem Motto „Deine Ideen. Deine Spiele.“ haben München, Berlin, Hamburg, Düsseldorf und Leipzig zusammen mit dem Sportbund DOSB Eckpunkte für eine erneute deutsche Olympia-Bewerbung vereinbart.

Mit dem Schwung aus Paris wollen die Sportfunktionäre es schaffen, endlich Begeisterung für die teuren Spiele in Deutschland zu wecken. Am Mittwoch stellte sich das Bundeskabinett offiziell hinter die ein halbes Jahr alte Erklärung.

Angehängt ist eine schmucklose „Protokollerklärung Hamburgs“, der Stadt, in der die Bewerbung für 2024 an einer Volksabstimmung gescheitert ist. „Zwingende Voraussetzung für eine Erfolg versprechende Bewerbung und für ein erfolgreiches Referendum in Hamburg ist eine im Prozess erfolgende verbindliche Zusage des Bundes, einen überwiegenden Teil der Kosten für die Bewerbung und Durchführung der Spiele zu tragen“, heißt es darin.

Der Vermerk ist die Folge eines Streits aus dem Spätsommer 2015 zwischen dem damaligen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), heute Bundeskanzler, und dem inzwischen verstorbenen damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Es droht eine Wiederholung dieses Streits, der maßgeblich zu der Pleite beigetragen hat. Aber jetzt, neun Jahre später, wird klarer, wer damals recht hatte – und was sich daraus für einen möglichen neuen Anlauf lernen lässt.

Im Rückblick ist der 8. Oktober 2015 ein Wendepunkt für die Hamburger Olympia-Träume. Scholz stellte an diesem Tag im Hamburger Rathaus seinen Finanzplan vor – und irritierte die Journalisten: Auf stolze 11,6 Milliarden Euro bezifferte er die nötigen Ausgaben für das Projekt.

Das war deutlich mehr als die bei einem vorherigen Anlauf für Hamburger Spiele im Jahr 2012 kalkulierten 3,5 Milliarden Euro. Die riesige Abweichung stieß auch anderswo auf Verwunderung: In den Tagen nach der Pressekonferenz wurde klar, dass das Finanzministerium in Berlin Scholz’ Rechnung nicht einfach so schlucken würde.

In dem Zahlenwerk verbargen sich neben den Ausgaben für das Olympische Dorf und das Stadion überraschende Posten: 1,3 Milliarden Euro sollen etwa in den Umbau des Hafens fließen – teils fernab des projektierten Olympiageländes.

Die Kapitel zu S- und U-Bahn sahen aus wie eine Wunschliste: neue Abstellgleise für zusätzliche Züge, der barrierefreie Umbau mehrerer S- und U-Bahnstationen, eine neue Elbbrücke auf dem Olympiagelände. 621 Millionen Euro entfielen allein auf die „Optimierung“ der vorhandenen S- und U-Bahn-Infrastruktur. Auch kleinere Posten schafften es in das Papier: etwa neue Anzeigetafeln für alle S-Bahn-Linien, Straßensanierungen, neue Ampelschaltungen oder Linienbusse mit Brennstoffzelle.

Der Verdacht im Bundesfinanzministerium: Die Hamburger hatten Anliegen der Stadtentwicklung in den Finanzplan aufgenommen, um in der Olympia-Euphorie und unter dem Zeitdruck des anstehenden Referendums eine hohe Finanzzusage des Bundes zu bekommen – und für ohnehin anstehende Ausgaben Geld aus Berlin abzugreifen.

Vor allem die Modernisierung des Hafens stieß auf Bedenken. Zu einer Einigung kam es bis zum Referendum über die Spiele nicht mehr. 52 Prozent der Hamburger stimmten gegen eine Bewerbung

Eine aktuelle Bestandsaufnahme zeigt: Ganz unrecht hatten Schäubles Beamte nicht. Nach einer kurzen Anstandspause hat Hamburg den Ausbau eines Teils des geplanten Olympia-Stadtteils auf einer Elbinsel selbst begonnen – obwohl Scholz ursprünglich erklärt hatte, das Projekt sei nur mit Olympia zu machen.

Dazu gehört auch der Plan, die U-Bahn über eine Elbbrücke zu verlängern. Auch der Umbau des Hafens steht weiter an. Nur ein Teil der Vorhaben fällt aus, weil der neue Stadtteil kleiner wird als unter Olympia-Bedingungen. Vollendet ist das Neubauprojekt noch lange nicht. Andere Punkte auf der Liste aber schon. Der Umbau des Bahnhofs Berliner Tor ist umgesetzt worden, ebenso wie Investitionen in die S-Bahn-Technik und neue Züge, samt der neuen Stationsanzeigen.

Einer der Hamburger Verantwortlichen von damals streitet dennoch ab, dass der Finanzplan aufgebläht worden sei. „Kaum zu beantworten ist die Frage, welche Projekte unmittelbar und ausschließlich für Durchführung der Spiele notwendig gewesen wären und welche lediglich mittelbar“, sagte Christoph Holstein, Hamburger Staatsrat für Sport, WELT AM SONNTAG.

„Insoweit standen – in unterschiedlicher Intensität – alle damals angeführten Projekte in Zusammenhang mit der Bewerbung, unabhängig davon, dass wir einzelne auch ohne die Ausrichtung der Spiele realisiert haben.“

Olympia-Zusage könnte an Mitteln aus Berlin hängen

Ohne eine frühzeitige Einigung mit dem Bund werde keine deutsche Stadt mehr starten, meint er: „DOSB und meines Wissens alle an der Diskussion über einen neuen Versuch beteiligten Städte koppeln ihre Bereitschaft an entsprechende Zusagen des Bundes.“

Das Bundesfinanzministerium gibt sich davon unbeeindruckt. Eine frühe Festlegung auf eine Kostenverteilung will das Haus vermeiden.

„Das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen zu allen Finanzierungsfragen dauert erfahrungsgemäß die gesamte Dauer des Bewerbungsverfahrens“, teilt ein Sprecher mit. Im Jahr 2015 seien die Gespräche nach dem Referendum im frühen Stadium ergebnislos abgebrochen worden. Also ohne eine Lernkurve. So dürfte der Konflikt auch das Projekt Olympia 2040 einholen.

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