DäNEMARK: REGIERUNG SCHAFFT FEIERTAG AB UND ERLEBT IHR WATERLOO

„Großer Bettag“

Dänemark: Regierung schafft Feiertag ab und erlebt ihr Waterloo

Die Abschaffung des „Großen Bettags“ verursacht in Dänemark viel Wirbel. Die Regierung schmiert in den Umfragen ab.

Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen zieht es mit aller Macht nach Brüssel. Auf dem Weg zum angestrebten, aber keineswegs sicheren EU-Topjob nach der Europawahl hat es die Sozialdemokratin auf jeden Fall schon bis Waterloo geschafft, ohne Kopenhagen zu verlassen.

Selten ist hier jemand als unantastbare Nummer Eins so steil abgestürzt wie die 46- Jährige mit dem Projekt, ihr Volk zu mehr Arbeitsfleiß zu erziehen. „Ich bin mir nicht sicher, dass alle um 16 Uhr vom Fließband nach Hause gehen sollten,“ belehrte sie die sechs Millionen Bürgerinnen und Bürger im Königreich. Sie prophezeite düster, dass man auf Dauer nur bestehen könne, „wenn wir genauso einen hohen Gang einlegen wie die Russen“. Denn: „Die Russen gehen nicht nach Hause. Die machen weiter.“

Russen im hohen Gang sind eine seltsame Vergleichsgröße und um 16 Uhr vom Fließband heimgehende Arbeitskräfte im Hightech-Paradies Dänemark ein eher altertümlicher Maßstab. Schon 2023 beim Entscheid für die ersatzlose Streichung eines Feiertags, hagelte es Proteste. Die „Hygge“-Weltmeister in Dänemark lassen sich nicht gern von einer Berufspolitikerin ohne eigene Job-Erfahrung vorhalten, ihre Arbeitsmoral lasse zu wünschen übrig. Schon gar nicht, wenn die Begründung daherkommt, als seien die Adressaten Kinder in der Grundschule.

Das ganze Ausmaß des Desasters für Frederiksen und ihre zwei bürgerlich rechten Koalitionspartner ist aber erst jetzt klargeworden, als die Bevölkerung zum ersten Mal auf den „Großen Bettag“, stets ein Freitag zwischen Ostern und Pfingsten, verzichten musste. Aktuelle Umfragen sind für die Regierungschefin so katastrophal ausgefallen, dass die Medien in den Nekrolog-Ton wechselten. Frederiksens Sozialdemokratie hat mit 17 Prozent einen nie zuvor gemessenen Tiefststand erreicht, der den dringenden Umzugswunsch der Chefin Richtung Brüssel als „nach mir die Sintflut“ für alle einleuchtend erklärt.

Die Regierungschefin hatte die Feiertagsstreichung zunächst mit zu mageren Staatsfinanzen begründet: Die Alterspyramide, zu wenig Arbeitskräfte bei immer höherem Bedarf im Pflege- und Gesundheitssektor, das ist in Dänemark nicht anders als in Deutschland. „Jeder von uns“ müsse jetzt ein bisschen mehr leisten und das Steueraufkommen vermehren, damit der hohe dänische Wohlfahrtsstandard zu halten sei, so die Politikerin.

Als die Steuereinnahmen dank eines Wirtschaftsbooms, anders als beim großen Nachbarn im Süden, ganz von selbst auf Rekordhöhen kletterten, wechselte die Begründung für die Feiertagsstreichung auf „die Russen“ mit ihrem Angriffskrieg gegen die Ukraine. Man müsse sich gegen Moskaus Expansionsdrang durch mehr Arbeiten für den Militärhaushalt wappnen. Drei Milliarden Kronen (400 Millionen Euro) sollen durch den gestrichenen Feiertag zusätzlich in die Staatskasse fließen. Als die Regierung aber auch frohgemut vorrechnete, sie sehe eigentlich keine Probleme bei der Finanzierung von zusätzlich 195 Milliarden Kronen für die Rüstung (bis 2032), fühlte sich die Wählerschaft noch mal für dumm verkauft.

Die handfesten Folgen haben am ersten arbeitspflichtigen „Bettag“ seit 350 Jahren vor allem all die getroffen, die etwa am Steuer von Bussen, in Supermärkten, Krankenstuben oder beim Putzen von Regierungs- sowie Medienbüros persönlich anwesend sein müssen. Wer Homeoffice machen kann, hat im gerade prächtig aufblühenden Sommerhaus-Garten den Feiertag womöglich privat über die Runden retten können.

Nachdem sich die bisher instinktsichere Populistin Frederiksen hier vor allem gegenüber der Stammwählerschaft total verrechnet hat, sieht die politische Konkurrenz ihre Stunde gekommen. Es läuft so bizarr mit knackigen Statements wie in der weltberühmten TV-Serie „Borgen“ über Kopenhagener Politik-Ränke: Eine Partei nach der anderen verkündet jetzt vor den Kameras, man werde nach dem Sieg in der nächsten Wahl „selbstverständlich den Dänen ihren Großen Bettag zurückgeben“. Ein dankbareres Wahlkampfthema gegen die Regierenden findet sich selten, und so prophezeit die Zeitung „Information“: „Der tote Bettag wird Mette Frederiksen weiter verfolgen wie ein Zombie.“

2024-05-01T15:32:36Z dg43tfdfdgfd