COMMERZBANK: WAS EINE ÜBERNAHME FüR DEN DEUTSCHEN BANKENMARKT BEDEUTEN WüRDE

Die italienische Großbank Unicredit ist an einer Übernahme der Commerzbank interessiert. Branchenkenner und Mittelständler sprechen über mögliche Folgen.

Im Interview mit dem Handelsblatt wirbt Andrea Orcel, der Chef der italienischen Großbank Unicredit, offensiv für eine Übernahme der Commerzbank. „Eine Zusammenführung beider Banken könnte zu einem erheblichen Mehrwert für alle Stakeholder führen und würde einen deutlich stärkeren Wettbewerber auf dem deutschen Bankenmarkt schaffen“, sagt Orcel in seinem ersten großen Interview seit der Aufstockung des Anteils an der Commerzbank. Für den deutschen Bankenmarkt und die Kunden der Commerzbank hätte eine Übernahme allerdings nicht nur positive Auswirkungen. Darin stimmen viele Experten überein.

Die Commerzbank ist in Deutschland vor allem für ihr starkes Engagement im Mittelstand bekannt. Hierzulande betreut das Geldhaus mehr als 22.000 mittelständische Firmenkunden. In den Bereich fallen Firmenkunden ab einem Umsatz von 15 Millionen Euro. Kleinere Unternehmen werden bei Deutschlands zweitgrößer Privatbank im Segment Privat- und Unternehmerkunden betreut.

Das Handelsblatt hat Branchenkenner und Mittelständler gefragt, welche Auswirkungen ein Kauf der Commerzbank durch Unicredit aus ihrer Sicht haben könnte; auf die Unternehmen, auf den Arbeitsmarkt und auf den Bankenstandort Deutschland.

Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies in Frankfurt (CFSF), sagt etwa: „Die Commerzbank und die Unicredit haben deutliche Überlappungen im Firmenkundengeschäft.“ So dürften sich viele Kunden, die Beziehungen zu beiden Häusern haben, nach einer Fusion eine neue Bank suchen, um nicht zu abhängig von einem Institut zu werden. „Davon würden vor allem die Landesbanken und die DZ Bank profitieren“, erwartet er.

Neben neuen Kunden hoffen Manager anderer Geldhäuser zudem darauf, dass sie bei der Commerzbank qualifizierte Mitarbeiter abwerben können. Nicht alle, so die These, dürften Lust auf eine Übernahme durch Unicredit haben. Außerdem hat Orcel bereits klargemacht, dass er im Falle einer Übernahme sparen will, vor allem in der Konzernzentrale.

Doch wie gravierend sind die beiden erwarteten Auswirkungen nach einer Übernahme wirklich?

Suchen sich Mittelständler eine neue Bank?

Tatsächlich blicken Unternehmer einer möglichen Übernahme durch die Mailänder eher gelassen entgegen. So sagt zum Beispiel der Chef eines größeren deutschen Mittelständlers, der nicht namentlich genannt werden will: Seit Langem würde sein Unternehmen schon international finanziert. Von einer Fusion erwartet er daher keine Auswirkungen.

Analyst Oliver Piquardt von der DZ Bank betont, dass es bereits seit Jahren einen großen Wettbewerb um deutsche Mittelständler gebe. „Zunehmend dringen internationale Banken in diesen Markt vor, in der Hoffnung, insbesondere auch bei lukrativen Investmentbanking-Mandaten zum Zuge zu kommen.“

Mittelständler, die eine Hausbankbeziehung mit beiden Instituten unterhielten, könnten nach Einschätzung von Piquardt daher einen Teil ihrer Geschäfte auf eine andere Bank verlagern. Das würde auch weiterhin einen „diversifizierten Zugang zu Finanzdienstleistungen“ ermöglichen. Profitieren würden von dieser Verschiebung andere Institute.

Dass der Konkurrenzdruck im deutschen Firmenkundengeschäft spürbar nachlässt, erwartet der Experte nicht. „Wenn ein Wettbewerber infolge einer Fusion ausscheidet, bleiben immer noch sehr viele konkurrierende Banken übrig“, betont Piquardt.

Ein anderer Mittelständler fürchtet jedoch, dass Firmen mit niedrigen Umsätzen aussortiert werden könnten. Möglicherweise passten sie nach einer Übernahme nicht mehr ins Portfolio von Unicredit. Er warnt auch, dass sich im schlechtesten Fall Firmen, die sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befänden, eine neue Bank suchen müssten.

Auf der anderen Seite räumt er ein, dass der deutsche Mittelstand mit den Sparkassen und den Genossenschaftsbanken genug Finanzierungsalternativen habe. Nichtsdestotrotz, betont er, wäre es aus historischen Gründen wünschenswert, die Commerzbank als eigenständiges Institut zu erhalten.

Wandern qualifizierte Fachkräfte ab?

Christoph Schalast, Partner der Kanzlei Schalast Law und Finanzprofessor an der Frankfurt School, sieht einer möglichen Fusion der beiden Banken mit gemischten Gefühlen entgegen. Auf der Negativseite steht ein Braindrain – qualifizierte Commerzbank-Mitarbeitern könnten zu anderen Geldhäusern wechseln.

Auf der Positivseite betont Schalast aber, dass eine Übernahme der Commerzbank der Katalysator für eine Marktbereinigung sein könnte: „Die Bankenlandschaft in Europa ist sehr zersplittert, deshalb sind Konsolidierungen aus makroökonomischer Sicht begrüßenswert.“

Sebastian Mack, Bankenexperte beim Jacques Delors Centre in Berlin, sieht das ganz ähnlich. „Wir haben zu viele Banken, und marode Banken werden nicht konsequent dichtgemacht“, moniert er. Und der starke Konkurrenzdruck führe dazu, dass der Gewinn für jede einzelne Bank geringer ausfiele. Darüber hinaus hätten die relativ kleinen europäischen Institute einen strukturellen Nachteil gegenüber den großen US-Banken.

Klaus Nieding, der Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), ist überzeugt davon, dass es in den nächsten Jahren zu einer Konsolidierung der europäischen Bankenlandschaft kommen wird. „Es wäre sinnvoll, wenn die Commerzbank dabei ein Vorreiter ist und sich frühzeitig mit Unicredit in einem größeren europäischen Verbund zusammenschließt“, urteilt er.

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