NEUE RAUMKAPSEL VON BOEING: CST-100 STARLINER VOR ERSTEM BEMANNTEN TESTFLUG

Mit jahrelanger Verzögerung soll die neue Boeing-Kapsel am frühen Dienstagmorgen mit zwei Astronauten an Bord zur ISS starten.

Am Montag, 6. Mai, um 22.34 Uhr Ortszeit (Dienstag, 7. Mai, 4.34 Uhr MESZ) ist es endlich so weit: Der Boeing CST-100 Starliner soll zum ersten Mal bemannt zur Internationalen Raumstation ISS fliegen. An Bord: Die NASA-Astronauten Barry "Butch" Wilmore (61) und Sunita "Suni" Williams (58). Eine Atlas V bringt das neue US-Raumschiff vom Space Launch Complex-41 der Cape Canaveral Space Force Station in Florida ins All. Als Ersatz-Starttermine sind der 7., 10. oder 11. Mai vorgesehen. Die Annäherung an die ISS soll 24 Stunden nach dem Start geschehen.

Der Crew Flight Test (CFT) zur ISS ist ein wichtiger Meilenstein in dem um Jahre verzögerten Programm. Am Ende eines vier Jahre dauernden Wettbewerb hatten Boeing und SpaceX im September 2014 von der NASA den Auftrag erhalten, im Rahmen der "Commercial Crew Transportation Capability Contracts" Astronauten zur ISS zu befördern. Boeing bekam dafür 4,2 Milliarden Dollar, SpaceX 2,6 Milliarden Dollar. Mindestens zwei, maximal sechs Flüge waren zunächst pro Anbieter geplant. Damals hieß es, die ersten Transporte zur Raumstation sollten Ende 2017 starten.

Das war aufgrund technischer Probleme nicht zu halten. Im Mai 2016 musste zunächst Boeing den ersten bemannten Flug verschieben, wenige Monate später folgte SpaceX. 2018 war das neue Ziel. Das schaffte letztlich auch SpaceX nicht. Aber der Crew Dragon startete am 30. Mai 2020 erstmals testweise mit Besatzung zur ISS und hat bisher acht kommerzielle Flüge für die NASA durchgeführt.

Probleme ziehen sich durch das Programm

Bis zum ersten bemannten Testflug der Boeing-Kapsel war es ein weiter Weg: Der erste unbemannte Test (Orbital Flight Test, OFT) im Dezember 2019 war ein Misserfolg. Damals schaffte es die Kapsel aufgrund von Softwarefehlern und Kommunikationsstörungen nicht zur ISS, konnte aber immerhin zwei Tage nach dem Start in White Sands in New Mexico landen. Ein unabhängiges Expertenteam empfahl im Nachgang des Fehlschlags massive Nachbesserungen am Starliner.

Boeing plante auf eigene Kosten einen zweiten unbemannten Testflug (OFT-2), der mehrfach verschoben wurde. Schließlich stand ein Termin im August 2021. Der Starliner war bereits auf der Atlas-V-Trägerrakete integriert, als der Flugversuch abgesagt werden musste. Der Grund: Mehr als ein Dutzend Treibstoffventile im Service-Modul waren festkorrodiert. Ein erneuter Versuch von OFT-2 glückte schließlich am 20. Mai 2022. Auf dem Weg zur ISS versagten zwar zwei Triebwerke der Kapsel, aber aufgrund der vorhandenen Redundanzen erreichte der Starliner die Raumstation wie geplant. Das Raumschiff blieb fast fünf Tage an der ISS angedockt und landete schließlich am 25. Mai in White Sands.

Einen Monat vor dem für Juli 2023 geplanten CFT wurden jedoch weitere Probleme am Starliner entdeckt: An Verbindungselementen der Haupt- und Bremsfallschirme lag der erforderliche Sicherheitsfaktor nicht vor, zudem stellte in der Kapsel verwendetes Klebeband unter bestimmten Bedingungen ein Brandrisiko dar.

Flight Readiness Review bestanden

Die sogenannten "Soft Links" der Fallschirme, Schlaufen aus Kevlar, wurden neu designt. Zudem wartete Boeing auf die eigentlich für den ersten kommerziellen Flug (Starliner-1) geplante neue Fallschirm-Konfiguration. Der neue Fallschirm vom Zulieferer Airborne Systems wurde Anfang Januar getestet.

Mehr als 90 Prozent des beanstandeten P-123-Klebebands, insgesamt mehr als 1000 Meter, wurden entfernt. Für die Stellen, wo das P-123-Band nicht entfernt werden konnte, weil es Schäden hinterlassen hätte, wurden Schutzbarrieren und Beschichtungen entwickelt. Das Glasgewebeband soll eigentlich Kabel vor Kratzern und Scheuerstellen schützen.

Doch spätestens mit der Ende April bestandenen Flight Readiness Review will Boeing die Probleme hinter sich wissen. "Wir können daraus schließen, dass das Vertrauen in das System groß ist. Wir sind bereit, zu fliegen", sagte Mark Nappi, Vice President und Programm-Manager des Commercial-Crew-Programms bei Boeing, bei einer Pressekonferenz am 25. April.

Fokus liegt jetzt auf dem bemannten Testflug

Beim CFT kommt die Kapsel zum Einsatz, die den ersten unbemannten Testflug absolviert hat. Auf Fotos sind versengte Stellen vom Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zu sehen. "Das Äußere des Raumfahrzeugs wird von einer Hitzeschutzdecke geschützt. Die Decke ist noch immer sehr funktionell und verleiht dem Raumfahrzeug Charakter. Also haben wir beschlossen, sie dranzulassen", so Nappi.

Der CFT soll nun zeigen, wie sich das Raumfahrzeug in Verbindung mit Menschen verhält. Dabei sollen Wilmore und Williams auch manuell fliegen. Die Mission soll etwas weniger als zwei Wochen dauern. Danach sollen die beiden Astronauten mit der Kapsel zur Erde zurückkehren und in White Sands, an Land und nicht wie der Crew Dragon im Wasser, landen. "Dies ist ein Testflug und wir erwarten, dass wir einiges daraus lernen", hatte Nappi bei einer Pressekonferenz Ende März gesagt.

Anschließend werden die Daten des CFT ausgewertet und auf die kommerzielle Zulassung des Starliner hingearbeitet, die im November oder Dezember erfolgen soll. Die Mission Starliner-1 mit den NASA-Astronauten Scott Tingle und Mike Fincke sowie dem Kanadier Jushua Kutryk und einem vierten, noch nicht bekannten Crew-Mitglied soll frühestens im Frühjahr 2025 zur ISS starten. Wie es nach den geplanten sechs Flügen zur ISS weitergeht, darüber wollte Nappi am 25. April nicht sprechen. "Der Fokus liegt jetzt auf dem CFT", sagte er. Man sei bis Ende des Jahrzehnts und bis zum Ende des ISS-Betriebs ausgelastet, geplant ist ein Flug pro Jahr. "Wir haben viel Zeit, darüber nachzudenken, was danach kommt", so Nappi.

2024-05-05T06:38:05Z dg43tfdfdgfd